Freitagspredigt

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Der Mensch wächst nicht mit Angeberei, sondern mit Aufrichtigkeit
(18.08.2023)

Verehrte Gläubige!

Jeder Mensch wünscht sich, ein gesundes Leben zu führen. Wenn eine der Dinge, die uns zwingen zu arbeiten, für unser Brot zu sorgen, ist die andere, der Wunsch, vor Krankheiten geschützt zu werden. Wir alle wünschen uns, uns in Sicherheit zu fühlen und entfernt von Umgebungen mit Krankheitsrisiken zu leben. Unsere Gesundheit zu schützen, ist nämlich – als Anvertrautes vom erhabenen Allah – ein Recht unseres Körpers  über uns…

Jedoch besteht der Mensch nicht nur aus dem Körper. Wir verfügen über eine noch substanziellere und unsterbliche Existenz. Unsere Seele ist ebenso wie der Körper Anvertrautes vom erhabenen Allah. Aus diesem Grund sind der Schutz und die Fürsorge unserer Persönlichkeit und unserer Moral auch eine wichtige Aufgabe von uns. Genauso wie wir Vorsicht vor Bakterien und Viren, die unseren Körper angreifen, walten lassen, sind wir verpflichtet, gegenüber unsichtbaren Viren und Keimen, die unserer Seele, unserem Charakter und unserer Spiritualität schaden könnten, dieselbe Vorsicht und Sensibilität aufzuzeigen.

Werte Gläubige!

Bekannt zu sein und Anerkennung zu ernten, ist ein wichtiges im Inneren des Menschen innewohnendes Gefühl. Wie bei allen Dingen, taucht jedoch ein unschönes und schädliches Übel auf, wenn diese natürliche Eigenschaft nicht gezüchtigt wird: Angeberei. Vielmehr als der Wunsch, schlicht wahrgenommen zu werden und anerkannt zu sein, ist Angeberei eine Persönlichkeitsstörung. Eines der am meisten begegneten Übel des zeitgenössischen Menschen, also von uns, ist leider diese Störung.

Leider sind Image und Visualität zur herrschenden Kultur der Gegenwart geworden. Unser gesellschaftliches Leben ist voller Menschen mit dem Hang zu Angeberei. Social Media gewährleistete, dass diese Charaktereigenschaft von uns, die sich als ein in uns befindliches und wartendes Virus verborgen aufhielt, allzu leicht auftauchen konnte. Warum auch immer, wünschen wir uns, dass jeder über das, was wir essen und trinken, Bescheid wissen soll. In uns brennt das Verlangen, unsere Wohnungen und unsere Fahrzeuge jedem ins Auge springen zu lassen. Während wir uns mit unserem Besitz rühmen, vergessen wir jedoch, dass sich unser Charakter zusehends einem Sinkflug begibt. Während wir davon träumen, in den Augen von anderen Menschen Anerkennung zu finden, legen wir in unseren Augen einen Landeanflug hin. Den größten Anerkennungsverlust erleben wir hingegen beim erhabenen Allah. Am besten kennt Er nämlich unser wahres Gesicht, das sich hinter demjenigen, was wir den Menschen zeigen wollen, eigentlich befindet. Er ist Derjenige, der sowohl unser Inneres als auch unser Äußeres am besten sieht.1 Er ist derjenige, der von dem, was wir tun und auch nicht tun, am besten Kenntnis hat. Er ist dem Menschen nämlich näher als seine Halsschlagader.2 Er schaut nämlich nicht auf unser Vermögen und Besitz, Äußeres und Form, sondern auf unsere Herzen und nur auf unsere Taten, die wir aufrichtig durchführen.3 Lassen sie uns aus diesem Grund nicht vergessen, dass unser Wert nicht darin liegt, was wir größtenteils zeigen, sondern was wir verbergen. Lassen sie uns daher die Warnung des erhabenen Allahs nicht aus dem Sinn verlieren: „Darum erklärt euch nicht selber für rein. Er weiß sehr wohl, wer gottesfürchtig ist.“4

Werte Gläubige!

Viele von uns sind eigentlich nicht so wie wir äußerlich aussehen. Aus diesem Grund bringt der edle Koran zum Ausdruck, dass diejenigen, die versuchen, sich anders darzustellen als sie sind, in Wahrheit lediglich sich selbst und nur sich selbst täuschen.5 Die Anerkennung, die mit dem erzeugtem Image geerntet wird, ist nicht von langer Dauer. Das Übel der Angeberei, die unser individuelles Unwohlsein, unsere emotionale Unzufriedenheit und persönlichen Begierden anfacht, ist auch der größte Feind unserer religiösen und ethischen Werte. Die Kultur der Angeberei führt nämlich dazu, dass Eigenschaften wie Selbstlosigkeit, Aufopferung, Demut, Scham, Keuschheit und Loyalität an Wert verlieren sowie gesellschaftlicher Niedergang und Zerfall eintreten. Aus diesem Grund ist Angeberei ein ernstes, gefährliches und Abhängigkeit erzeugendes Übel, das wirklich nicht vernachlässigt werden darf.

Wie auch jede andere Abhängigkeit, ist auch diese unbedingt zu behandeln. Die Behandlung des Übels von Angeberei ist Aufrichtigkeit; natürlich zu leben; herzliche Innigkeit und Aufrichtigkeit; vom Herzen überzeugt zu sein, dass der erhabene Allah uns besser kennt als wir uns selbst kennen; unsere Herzen aufzupolieren und auf Vordermann zu bringen. Die Behandlung des Übels ist, sich bewusst zu werden, dass wir mit Angeberei lediglich uns selbst etwas vortäuschen; dass wir mit all unseren Taten und Worten auf der Welt einer Innigkeits- und Aufrichtigkeitsprüfung unterzogen werden; dass wir lediglich die Zuversicht und das Wohlwollen unseres erhabenen Schöpfers verlangen sollten, indem wir uns von Heuchelei, Angeberei und Egoismus fernhalten.


Die DITIB-Predigtkommission

 

1 Koran, al-An’am, 6/3.                                                                              
2 Koran, Qāf, 50/16.  
3 Muslim, Birr, 34.
4 Koran, an-Nadschm, 53/32.
5 Koran, al-Baqara, 2/8.

2023-08-18    


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