Seine Geschwister im Glauben sich selbst vorziehen- Isar
بِسْمِ اللهِ الْرَّحمَنِ الْرَّحِيمِ
وَالَّذِينَ تَبَوَّؤُا الدَّارَ وَالاِيمَانَ مِن قَبْلِهِمْ يحِبُّونَ مَنْ هَاجَرَ إِلَيْهِمْ
وَلاَ يجِدُونَ فيِ صُدُورِهِمْ حَاجَةً ممَّا أُوتُوا وَيُؤْثِرُونَ عَلَى أَنفُسِهِمْ وَلَوْ كَانَ بهِمْ خَصَاصَةٌ وَمَنْ يُوقَ شُحَّ نَفْسِهِ فَأُوْلَئِكَ هُمُ الْمُفْلِحُونَ
Bismillahirrahmanirrahim
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Diejenigen, die Medina noch vor ihnen zur Heimstätte gemacht und den Glauben verinnerlicht haben - sie lieben diejenigen, die zu ihnen ausgewandert sind. In ihren Herzen ist kein Unmut ob der Gaben, die diesen gegeben werden. Sie ziehen sie vielmehr sich selbst vor, obwohl sie selbst bedürftig sind. Und wer sich schützt vor dem Geiz seines Ichs, wird zu denjenigen gehören, die errettet werden.”
[Sure “Haschr”, Vers9]
Verehrte Gläubige,
Solidarität wird im Islam groß geschrieben. Eine besondere Art der Solidarität ist der isar (arab. īṯār). So nennt die islamische Tradition die Herzensweite der Menschen, die sie „den anderen sich selbst vorziehen, und ihre Nächsten noch vor sich selbst bedenken lässt.“ Diese Herzensweite ist es dann, die sie „in beispielloser Aufopferungsbereitschaft ihren Besitz mit ihren Nächsten teilen lässt, obwohl sie selbst seiner bedürfen“. [1]
Muslime sind bekanntlich aufgefordert, ihren Besitz für das Wohl der Bedürftigen zu spenden. Der isar kann auch angesehen werden als Höchstform dieser eingeforderten Spendenbereitschaft. Er steht für das Vorziehen der Geschwister im Glauben obwohl oder gerade dann, wenn man eigentlich selbst einer Sache bedarf. Er steht dafür, dass man zunächst an seinen Glaubensbruder und sein Wohl denkt, diesen sich selbst vorzieht. Er steht für eine Selbstlosigkeit, die uns absehen lässt von uns selbst. Die uns sagen lässt “zuerst er” statt “zuerst ich”. Einen sicheren Schritt in Richtung dieser Selbstlosigkeit machen wir sicherlich, wenn wir auch hier wieder unseren Propheten (s.a.w.) zum Vorbild nehmen. Beispiele dieser Ethik finden wir in seinem Leben reichlich.
Verehrte Muslime,
der isar kann auch verkürzt werden auf die Formel: “mein Glück ist das meines Nächsten!” Man stelle sich nur eine Gesellschaft vor, in der diese Selbstlosigkeit gelebt wird und in der der eine dem anderen, dem hilfsbedürftigen unter die Arme greift, wie es ihm vorgeschrieben ist. Und mit ihm teilt, was er in Händen, auch wenn er selbst bedürftig. Man stelle sich sodann die Liebe, den gegenseitigen Respekt und die Brüderlichkeit vor, die diese Spielart der Empathie in der Gesellschaft entstehen lässt. Welch Hort des einträchtigen Miteinanders, des Friedens und des gemeinsamen Foranschreitens wäre eine solche Gesellschaft. Und genau hierauf zielt diese Erziehung zum Teilen ab.
Denn der isar ist ein Einsatz, für den der Mensch seinen inneren Widerstand überwinden und seine eigenen Begierden zügeln muss. Diejenigen, die dies schaffen, lobt Allah im Koran wie folgt: „Sie, die aus Liebe zu Ihm die Bedürftigen speisen sowie die Waisen und die Gefangenen. (Sie sagen:) ‚Und wir speisen euch um Seiner Willen. Nicht Lohn wollen wir von euch noch Dank. Wir fürchten vielmehr von unserem Herrn einen finsteren, unheilvollen Tag.‘ Allah wird sie schützen vor dem Übel dieses Tages, erhellen ihre Gesichter und erfreuen ihre Herzen.“ [2]
Verehrte Gläubige,
jeder Lohn richtet sich nach dem Wohl, den man mit seinem Handeln bewirkt. Daher ist der Lohn für den isar unvergleichlich höher als die anderen Arten des Spendens (infak). Der spirituelle Zugewinn, den uns diese aufopferungsvolle Spielart des Spendens beschert, ist von hohem Wert.
Und es ist dabei nicht nur das Geld oder sonstiges Hab und Gut, dass wir aufwenden für unsere Glaubensbrüder. Nein, es ist unsere Selbstaufgabe zum Wohle unserer Glaubensbrüder auch in immaterieller Hinsicht. Das Verzichten auf die Befriedung der eigenen Bedürfnisse, um diejenigen der anderen zu stillen. Das sich selbst hintanstellen. Das Spenden auf dem Wege Allahs für Seine Geschöpfe.
Die heutige Predigt möchte ich beenden mit der ungefähren Bedeutung von Vers 9, Sure Haschr: “Diejenigen, die Medina noch vor ihnen zur Heimstätte gemacht und den Glauben verinnerlicht hatten - sie lieben diejenigen, die zu ihnen ausgewandert sind. In ihren Herzen ist kein Unmut ob der Gaben, die ihnen gegeben werden. Sie ziehen sie noch sich selbst vor, obwohl sie selbst bedürftig sind. Und wer sich schützt vor dem Geiz seines Ichs, wird zu denjenigen gehören, die errettet werden.”
[1] Vgl. Dini Kavramlar Sözlüğü, îsâr, DİB.
[2] Insan, 76/8-11.
Eyüp Sabri ÖNER
Religionsbeauftragter der DITIB-Moschee in Konz