Freitagspredigt

Wie wir Behinderungen und Menschen mit Behinderungen begegnen sollten

بِسْمِ اللهِ الْرَّحمَنِ الْرَّحِيمِ
وَلَنَبْلُوَنَّكُمْ بِشَيْءٍ مِّنَ الخَوفِ وَالجُوعِ وَنَقْصٍ مِّنَ الأَمَوَالِ وَالأنفُسِ وَالثَّمَرَاتِ وَبَشِّرِ الصَّابِرِين

Bismillahirrahmanirrahim

[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Wahrlich, Wir setzen euch zur Prüfung Ängsten und Hunger aus oder nehmen euch von eurem Vermögen oder Leben (eurer Gesundheit). Und gib frohe Kunde denjenigen, die da geduldig sind.”


                                                                                                                                                     [Sure Baqara, Vers 155]

Verehrte Muslime,

Allah gab dem Menschen Verstand, auf dass er begreife. Und Er gab ihm Augen, auf dass er sehe. Ebenso gab Er ihm eine Zunge, auf dass er spreche sowie noch eine ganze Reihe anderer Gaben seelischer und körperlicher Art. Die schier nicht enden wollende Fülle dieser Gaben beschreibt der Koran wie folgt: “Und wenn ihr die Gaben Allahs zählen wolltet, so könntet ihr sie nicht zählen. Allah ist wahrlich reichlich vergebend und erbarmend.” [1]

Verehrte Gläubige,

Eines dürfen wir aber bei Alledem nicht vergessen: jede dieser Gaben, mit denen uns Allah ausgestattet hat, gab Er uns auch gleichzeitig als Anlass zur Prüfung. So heißt es hierzu im Koran: “Wahrlich, Wir setzen euch zur Prüfung Ängsten und Hunger aus oder nehmen euch von eurem Vermögen oder Leben (eurer Gesundheit). Und gib frohe Kunde denjenigen, die da geduldig sind.” [2]

So kann der Mensch taub, blind oder mit einer sonstigen körperlichen Behinderung auf die Welt kommen bzw. diese ihn im Nachhinein treffen durch einen Unfall oder in Folge einer Krankheit. Ungefähr 10% der Weltbevölkerung lebt mit einer Behinderung. Und auch nichtbehinderte Menschen kann dieses Schicksal unverhofft treffen. Von heute auf morgen können wir erblinden, unser Gehör verlieren oder können unsere Hände nicht mehr greifen, wir nicht mehr selbständig laufen.

Verehrte Brüder und Schwestern,

das Leben ist für uns alle eine Prüfung. Wir sollten daher alle das Ziel verfolgen, diese Prüfung zu gewinnen. Und diese besteht nicht nur im Bereich des Glaubens und der Erfüllung der gottesdienstlichen Pflichten. Sie kann sich auch äußern darin, dass wir Natutkatastrophen ausgesetzt werden, Armut, Krankheit und Tod und noch einer ganzen Reihe anderer Sorgen und Plagen.

In solchen und ähnlichen Situationen des Leids - und damit einhergehend der Prüfung - sollten wir nur daran denken, dass diese sämtlich von Allah sind und uns entsprechend mit Geduld kleiden. Denn die Geduld ist das wichtigste Instrument, mit dem wir Prüfungen begegnen und gegen Probleme ankämpfen können. Jeder gläubige Mensch, der sich hierüber bewusst ist, handelt in einer solchen Situation nach der koranischen Aufforderung hierzu: “Diejenigen, die da sagen, wenn sie ein Leid trifft: ‘Wahrlich wir sind Allahs und wahrlich, zu Ihm werden wir wieder zurückkehren.’” [3] und flüchtet sich damit - auf der Suche nach innerer Ruhe und Ausdauerkraft - in den Schutz und die Obhut seines Herrn.

Gleichwohl sollte man auch darüber sinnen, was es war und ist, dass einem dieses Leid und diese Sorgen eingebracht hat, um dann, im Rahmen des Möglichen, die Gründe hierfür zu beheben.

Andererseits erachtet es der Islam als moralisch-ethisches Prinzip, denjenigen zu helfen, die sich in einer solchen Situation befinden. In diesem Rahmen beschreibt er auch Regeln für den Umgang mit behinderten Menschen. So ließ uns unser Prophet Muhammed Mustafa (s.a.w.) z.B. wissen, dass denjenigen, die einem Blinden den Weg weisen oder einem gehörlosen Menschen, dies als Almosen gutgeschrieben wird. [4]

An dieser Stelle möchte ich auch insbesondere darauf hinweisen, dass der Islam Behinderungen nicht als Fehler oder Mangelhaftigkeit eines Menschen erachtet. Der Wert bzw. Stellenwert eines Menschen vor seinem Schöpfer definiert sich nicht über seine körperlichen Eigenschaften, sein Geschlecht oder seine Abstammung, sondern rein über seine Frömmigkeit. [5] Allein diese Frömmigkeit wird es sein, die die Menschen ihre Prüfungen bestehen lassen und ihnen damit die Tore zum Paradies öffnen wird.


[1] Nahl, 16/18.
[2] Baqara, 2/155.
[3] Baqara, 2/156.
[4] Ahmed b. Hanbel, Musnad, 5/168-169.
[5] Hudschurat, 49/13.

Ahmet ALTINTAŞ
Religionsbeauftragter der Diyanet-Moschee in Harburg
2012-03-23    


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