Freitagspredigt

Den Hadsch verstehen

 

 
بِسْمِ اللهِ الْرَحْمَنِ الْرَحِيمِ
إِنَّ الصَّفَا وَالْمَرْوَةَ مِنْ شَعَائِرِ اللهِ فَمَنْ حَجَّ الْبَيْتَ أَوِ اعْتَمَرَ فَلاَ جُنَاحَ عَلَيْهِ أَنْ يَطَّوَّفَ بِهِمَا وَ مَنْ تَطَوَّعَ خَيْرًا فَإِنَّ اللهَ شَاكِرٌ عَلِيمٌ
Bismillahirrahmanirrahim
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barhmherzigen]
“Safa und Marwa gehören wahrlich zu den Riten (der Religion) Allahs. Wer daher das Haus (die Kaaba) besucht in der Absicht die große oder die kleine Pilgerfahrt zu machen (Hadsch und Umra), den trifft keine Sünde, wenn er sie dabei umrundet. Wer freiwillig etwas Gutes tut, soll wissen, dass Allah wohl wissend ist darüber und es vergilt.”
 
[Sure Baqara, Vers 158]
 
Verehrte Muslime,
 
unser erhabener Herr, der uns auf die beste Art und Weise erschaffen und uns zahlreiche Gaben geschenkt hat, hat denjenigen, die hierzu in der Lage sind, den Gottesdienst der Pilgerfahrt auferlegt. [1]  Die Pilgerfahrt, die als Pflichtgottesdienst zu den fünf Säulen des Islam gehört, besteht im Wesentlichen darin, zu einer bestimmten Jahreszeit und in Befolgung der vorgeschriebenen Regeln in den ihram zu treten und in diesem Zustand bei Arafat zu halten, die Kaaba zu umrunden sowie einige andere Riten zu erfüllen.

So heißt es hierzu im Koran: “Safa und Marwa gehören wahrlich zu den Riten (der Religion) Allahs. Wer daher das Haus (die Kaaba) besucht in der Absicht die große oder die kleine Pilgerfahrt zu machen (Hadsch und Umra), den trifft keine Sünde, wenn er sie dabei umrundet. Wer freiwillig etwas Gutes tut, soll wissen, dass Allah wohl wissend ist darüber und es vergilt.” [2] “Und ruf die Menschen zur Pilgerfahrt, damit sie aus allen Himmelsrichtungen zu Fuß oder von weit her auf müden Kamelen zu dir kommen.” [3]

Verehrte Gläubige,

die Pilgerfahrt, der Hadsch, erinnert den Menschen an den Sinn und den Zweck seines Lebens. Denn er ist eine Reise in die Vergangenheit, so wie er auch eine Vorbereitung auf seine Zukunft ist. Er festigt einerseits die Glaubensgrundsätze wie den Glauben an Allah, den Eingottglauben (tawhid), den Glauben an die Propheten und das jenseitige Leben. Andererseits lehrt er die Muslime ethische Werte wie Ehrfurcht vor Gott (taqwa), Geduld, Liebe und Respekt, Brüderlichkeit, Opferbereitschaft und Großmut. [4] Der Hadsch öffnet denjenigen, die sich in Geduld üben und in Geduld wandeln, die Tore zum ewigen Glück. Denn er lehrt den Menschen, dass Hab und Gut auf Erden vergänglich sind und das eigentliche und ewige Leben im Jenseits auf uns wartet. “Labbayk Allahumma Labbayk! – Befiehl o Herr! Ich vernahm Deinen Ruf, folgte Deinem Befehl und kam zu Dir. Ich stehe Dir zur Verfügung mit meinem ganzen Ich und mit meinem ganzen Herzen!” wird der Pilger dort rufen und dieses mit seinen Handlungen umzusetzen suchen. Millionen von Muslimen aus aller Herren Ländern, der unterschiedlichsten Herkunft, Sprache und Kultur aber vereint um das selbe Ziel rufen in diesen Tagen diese Worte gemeinsam und lassen sie wieder als gemeinsames Gebet über die Heilige Stätte hallen. Dieses Gebet ist ein Ausdruck für den Glauben an den Einen Gott und dafür, dass der Mensch nur diesem Einen Gott Diener ist und niemanden sonst. [5]

Ein Pilger, der den Ihram anlegt und damit in den Weihezustand des Pilgers tritt, legt dafür zunächst sein irdisches Gewand ab. Damit entledigt er sich zunächst aller Statussymbole, die auf seinen sozio-ökonomischen Hintergrund weisen. Wenn er dann sein Pilgergewand anlegt, ist er gleich und auf einer Ebene mit all den anderen Pilgern. Gleichzeitig ist dieses Gewand aber auch ein Ausdruck dafür, dass alle Muslime nun in den Heiligen Stätten einander gleich und Brüder sind. Es gibt nun kein Merkmal mehr, mit dem sich ein Pilger von den anderen unterscheidet. Die irdische Kleidung ist abgelegt, es zählt und gibt nur noch den Menschen. Mit anderen Worten legen die Pilger für den Hadsch ihre schmucke Kleidung ab, die ihre Persönlichkeit sonst nur überdeckt, und hüllen sich dafür in das “Gewand der ehrfürchtigen Frömmigkeit (taqwa)”. Denn eben dieses “Gewand der Frömmigkeit”, das Bewusstsein um die Verantwortung ist es, dass man ab dem Überschreiten der miqat - der Grenzpunkte zur Zone der Heiligen Stätte - anlegen muss. Denn, so lässt es uns der Koran wissen: “Das Gewand der frommen Ehrfurcht aber, dieses ist besser!” [6]

Verehrte Gläubige,
 
in den Tagen der Hadsch sollten die Pilger Einheit und Zusammenhalt demonstrieren sowie wahre Brüderlichkeit und Gleichheit leben. Dazu gehört auch, dass sie sich von ihrem Egoismus befreien und sich wie wahre Gläubige verhalten, die ihre Religion richtig verinnerlicht haben. Wir sollten in diesen Tagen nicht die Fehler der anderen sehen, sondern vielmehr unsere eigenen und diese zu korrigieren suchen. Denn in diesen heiligen Gefilden sollten wir uns vielmehr selbst anklagen und Gott um Vergebung unserer Sünden bittend uns in reuiger Abkehr von diesen zu läutern suchen. Im Vordergrund sollten für uns in diesen Tagen nicht körperliche Bequemlichkeiten stehen, sondern das geistige Wohlbefinden sowie unsere innere Ruhe. Geistig-immateriell reinen Zustands sollten wir sein, wenn wir hier ankommen. Wissend, dass Gottesdienste in diesen Stätten besser und segenreicher sind und uns Gläubigen mehr entlohnt werden als sonst, sollten wir uns vermehrt dem Gottesdienst hingeben und die Zeit nicht vergeuden. Wir sollten hier auch reichlich Bittgebete sprechen: für uns selbst, für unsere Verwandten und Freunde, aber auch für alle anderen Muslime.
 
Verehrte Gläubige,
wir sollten nicht vergessen, dass die Annahme unserer Pilgerfahrt auch von unserem weiteren Verhalten nach der Rückkehr von der Hadsch abhängt. So möchte ich an dieser Stelle meine Predigt beenden mit einem Hadis unseres Propheten Muhammad (s.a.w.): “Wer für Allah die Pilgerfahrt macht und sich dabei von schlechten Worten und Taten zurückhält, wird all seiner Sünden freigesprochen (außer wenn er sich Rechte anderer Menschen aufgeladen hat) und ist bei seiner Rückkehr von der Hadsch so rein wie am Tage seiner Geburt.” [7]
 
[1] Al Imran, 3/97.
[2] Baqara, 2/158.                                                                              
[3] Hadsch, 22/27.                                              
[4] Haccı anlamak, DİB, Ankara 2009, S. 2.
[5] Ebd., S. 29.                                                                                                   
[6] Araf, 7/26.                                                                                                      
[7] Buchari, Hadsch, 4.                     
                
Bülent Şahin    
Religionsbeauftragter der Osmanlı Moschee in Kirchheim
2011-10-14    


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