Freitagspredigt

Der Mi’rādsch – Die nächtliche Himmelfahrt des Propheten

بِسْمِ اللهِ الْرَّحمَنِ الْرَّحِيمِ
سُبْحَانَ الَّذِي أَسْرَى بِعَبْدِهِ لَيْلاً مِّنَ الْمَسْجِدِ الحَرَامِ
إِلى الْمَسْجِدِ الأَقْصَى الَّذِي بَارَكْنَا حَوْلَهُ لِنُرِيَهُ مِنْ آيَاتِنَا
إِنَّهُ هُوَ السَّمِيعُ البَصِيرُ


Bismillāhirrahmānirrahīm
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Fern aller Makel ist Der, Der Seinen Diener (Muhammed), um ihm von Unseren Zeichen zu zeigen, eines Nachts von der Gesegneten Gebetsstätte zur Fernen Gebetsstätte brachte, deren Umgebung Wir gesegnet haben. Wahrlich, Er ist wohl hörend und wohl sehend.“

[Sure Isrāʾ, Vers 1-5]

Verehrte Muslime,

am kommenden Mittwoch schreiben wir nach islamsichem Kalender den 27. Radschab. Die Nacht des 27. Radschab ist die Mi’rādsch-Nacht, die Nacht der nächtlichen Himmelfahrt unseres Propheten (saw). Er gehört zu den größten Beglaubigungswundern des Propheten (saw). Denn in dieser Nacht wurde er von der Masdschid al-Harām zur Masdschid al-Asqsā, d.h. von Mekka nach Jerusalem gebracht und von dort aus in eine höhere Welt. Diese geheimnisvolle Reise wird uns im Koran wie folgt mitgeteilt: “Fern aller Makel ist Der, Der Seinen Diener (Muhammed), um ihm von Unseren Zeichen zu zeigen, eines Nachts von der Gesegneten Gebetsstätte zur Fernen Gebetsstätte brachte, deren Umgebung Wir gesegnet haben. Wahrlich, Er ist wohl hörend und wohl sehend. [1]

Verehrte Gläubige,

fast alle Propheten haben nach dem Koran Mühsal erfahren und wurden unterdrückt, als sie die Botschaft ihres Herrn Kund gaben. Beleidigung haben sie erfahren, an Wahnsinn zu leiden hat man ihnen attestiert oder aber Zauberei zu betreiben. Es gab solche, die gesteinigt, zur Auswanderung gezwungen oder sogar getötet wurden. Nicht anders ging es da dem Siegel der Propheten, unserem geliebten Propheten Muhammed (saw). Von dem Zeitpunkt an, da Allah ihm befahl: “O du, der du dich einhüllst. Steh auf und warne!” [2] begann auch seine Mühsal, und sollte im Laufe seines Prophetentums noch zunehmen. Zudem verlor er im zehnten Jahr seiner Prophetenschaft nacheinander seine Ehefrau Hatidscha (r.a.) und seinen Onkel Abū Tālib, der ihm in schweren Zeiten Rückendeckung gab. In tiefe Trauer haben diese und noch andere Ereignisse den Propheten (saw) gestürzt. Das Jahr sollte daher auch eingehen in die Geschichte des Islam als “Jahr der Trauer”. Um seinen geliebten Diener zu trösten, lud Allah, der Erhabene, ihn in eine höhere Welt, die Welt Seiner Transzendenz ein. Es sollte ihm hier die erhabene Kraft gezeigt werden, die hinter diesem Ruf stand und ihm die frohe Botschaft gegeben, dass diese Religion vervollkommnet werden würde, auch wenn die Ungläubigen sich dagegen sträubten.

In einem Moment, als der Gesandte sich gerade an der Kaaba aufhielt, kam Dschabrāʾil (a.s.) zu ihm. Er hob ihn auf sein Reittier Burak und nahm ihn mit nach Jerusalem. Als sie durch die sieben Himmel ritten, begegneten sie einigen der vorangegangenen Propheten. Am Sidrat al-Muntaha angelangt, an der höchsten Stelle des Himmels, wurde der Prophet (saw) eingeladen in die Gegenwart Allahs. Allah, der Erhabene, offenbarte ihm dort einige Verse. Auch wurde hier den Menschen das rituelle Gebet (namaz, salāh) als Pflicht auferlegt. Das Gebet gilt als persönlicher Mi’rādsch der Gläubigen. Jedesmal, wenn sie sich zum Gebet aufstellen, treten sie geistig-spirituell in die Gegenwart Allahs, direkt und ohne Mittler, so wie es seinerzeit der Prophet getan hatte am Sidrat al-Muntaha. Zu einem weiteren Geschenk, das der Prophet von seiner Himmelfahrt mitbrachte, gehören die beiden letzten Verse der Sure Baqara. Und schließlich auch die Frohbotschaft, dass ein jeder, der stirbt, ohne Allah jemanden beigesellt zu haben, seiner Sünden freigesprochen wird. [3]

Vereehrte Gemeinde,

die nächtliche Reise nach Jerusalem, der isrāʾ sowie die anschließende Himmelfahrt, der mi’rādsch, können schwerlich nur mit und über den Verstand erklärt werden. Hier haben wir einfach an die Nachricht zu glauben, dass sie stattgefunden hat, ohne Wenn und Aber. Wir sollten es dem Prophetengefährten Abū Bakr (r.a.) gleich machen. Er sagte lediglich, als er nach dem Wahrheitsgehalt dieser Nachrichten gefragt wurde: “Wenn er (saw) es gesagt hat, wird es stimmen.”

Wir sind die Umma, die Gemeinde eines Propheten, der in der Mi’rādsch-Nacht zahlreiche Geschenke erhielt. Und so sollten wir alle um den Wert dieser Nacht wissen. Um ihre Vorzüge und ihren Segen. Um die reichliche Vergebung, die diese Nacht mit sich bringt. Und uns schließlich fragen, wie es bei uns persönlich um das größte Geschenk bestellt ist, das uns der Prophet (saw) von seiner Reise mitbrachte. Den Grundpfeiler der Religion, das Licht unserer Augen und den persönlichen Mi’rādsch des Gläubigen, das Ritualgebet. Wissen wir dieses Geschenk auch zu würdigen? Verrichten wir auch alle unsere Gebete? Wenn nein, so sollten wir uns in dieser Nacht fest vornehmen, dieses zu tun und vor allen Dingen nicht mehr damit aufzuhören.

In diesem Sinne wünsche ich allen an dieser Stelle eine gesegnte Mi’rādsch-Nacht. Möge sie der islamsichen Welt Einheit und Zusammenhalt bringen und der Menschheit Frieden, Eintracht und Rechtleitung.

Ömer Bayraktar
Religionsbeauftragter der DITIB Zentralmoschee in Wetzlar
2013-05-31    


Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der DITIB reproduziert, vervielfältigt oder verarbeitet werden.

Archiv 2007-2008  | 2009-2010