Freitagspredigt

Mensch bleiben können


بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ

يَا اَيُّهَا النَّاسُ اِنَّا خَلَقْنَاكُمْ مِنْ ذَكَرٍ وَاُنْثٰى وَجَعَلْنَاكُمْ شُعُوباً وَقَـبَائِلَ لِتَعَارَفُوا اِنَّ اَكْرَمَكُمْ عِنْدَ اللّٰهِ اَتْقٰيكُمْ اِنَّ اللّٰهَ عَليمٌ خَبيرٌ


Bismillāhirrahmānirrahīm

[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“O ihr Menschen! Wahrlich, Wir schufen euch aus einem Mann und einer Frau und machten euch zu Völkern und Stämmen, damit ihr einander kennen lernet. Für Allah ist der ehrenwerteste unter euch derjenige, der am frömmsten ist. Allah ist wohl wissend und hat über alles Kunde.”

[Sure Hudschurāt, Vers 13]



Verehrte Muslime,

die Schöpfungsgeschichte des Menschen beginnt mit einer Frage des Schöpfers: „Alastu bi-Rabbikum? – Bin Ich nicht euer Herr?“, fragt Er die versammelten Seelen. Diese antworten wie im Chor: „Balā - natürlich bist Du das! Wir bezeugen, dass Du unser Herr bist!“, [1] und gehen damit einen Bund ein mit dem erhabenen Schöpfer. Noch bevor die Erde und die sieben Himmel erschaffen waren und es nur Ihn gab, da hegte der Schöpfer den Wunsch, einen Statthalter Seiner zu schaffen, der auf Erden Seinen Willen vertritt und umsetzt. So gab er trockenem Lehm Gestalt [2] und hauchte diesem von Seinem Geist ein. [3] Und der Körper, der zuvor noch aus Lehm war, erwachte mit diesem Geist zu Leben, wurde Mensch, wurde zu Adam. Die Engel warfen sich vor diesem nieder. [4] Und der Mensch, der Statthalter Allahs, beehrte als Wesen mit Würde und Ehre die Erde.

Verehrte Brüder und Schwestern,

ein Jeder von uns, als er das Licht der Welt erblickte, tat dies als Mitglied der Familie des Propheten Adam (a.s.). Mit einem vierfachen Schwur ließ unser Schöpfer das Universum wissen, dass Er den Menschen auf die schönste Art und Weise erschaffen hat. [5] Als Wesen mit Würde schuf Er uns. [6] Und nicht nur Verstand hat Er uns gegeben, sondern auch Herz und Gefühl. Mit und in all seiner Vollkommenheit ward das Universum wieder dem Menschen in den Dienst gestellt. All die Dinge in ihm uns dienstbar gemacht. Propheten wurden für uns gesandt, die Himmelstore wieder für uns geweitet. Offenbarungen herabgesandt, die uns halfen, unsere natürliche Veranlagung und unsere Würde zu wahren. Und schließlich uns mitgeteilt, dass der ehrenwerteste unter uns für Allah derjenige ist, der am frömmsten und die meiste Ehrfurcht vor Ihm hat. [7]

Und trotz alledem hat der Mensch nicht begriffen, dass seine eigentliche Würde und Ehre in seiner Berufung zum Dienst am Schöpfer und seiner Zugehörigkeit zur Gemeinschaft des Propheten (a.s.) liegt. Und all den Wert zum Trotz, den uns Allah beimisst, wollen wir selbigen so manches Mal an Rang und Stellung, an Amt und Würden oder am Besitz ausmachen. Wir haben uns voneinander aber auch von uns selbst entfernt, je mehr wir uns von unserem Herrn entfernt haben. Wir stürzen uns mit eigener Hand ins Verderben.

Mit jedem Tag entfernen wir uns mehr vom Sinn und Zweck unserer Schöpfung, von unserer Dienerschaft, dem aufrechten Glauben und den moralisch-ethischen Werten. In Angelegenheiten, die in ihrer Bedeutung eigentlich nicht über den Tag hinausgehen, verrennen wir uns in Egoismus, Ehrgeiz und unersättlicher Gier und bleiben regelrecht in dieser Sackgasse stecken. Diskriminierung, Rassismus, Ausbeutung, Gewalt, Terror, Krieg, Hungersnot und noch viele andere globale Probleme, die uns unter ihre Geißel nehmen, sind uns als Weltenbewohner momentan alle eine große Prüfung.

Dabei hat uns unser Prophet (saw) den Weg gewiesen, den wir gehen müssen, um ein Leben zu führen, das unserer Menschenwürde gerecht wird. Den Menschen genügt als Übel, dass sie einander geringschätzen, ließ er uns wissen. Und dass das Leben, der Besitz und die Würde eines Muslims unantastbar sind. [8] Dass wir vollkommen im Sinne unseres Charakters und unseres Glaubens nur dann sind, wenn wir einander lieben und uns der Weg ins Paradies ebenfalls nur dadurch geebnet wird. [9]

Verehrte Geschwister,

der Islam lehrt uns, dass der Mensch ein ehrenwertes Geschöpf ist. Der Schwarze ist hier ebenso ehrenwert wie der Weiße, der Arme wie der Reiche und der Diener ebenso wie der Bedienstete. Ehre und Würde hat der Tote genauso wie der Lebende. Als der Prophet (saw) in seiner Abschiedspredigt folgende Worte formulierte, war es, als wollten diese Worte vor Jahrhunderten schon unsere Tage beleuchten. Die Menschheit unserer Tage ansprechen und sie gemahnen, die Menschen nicht nach vergänglichen und ihnen eigenen Werten zu kategorisieren: „Euer Herr ist derselbe und euer Ahn ist derselbe. Ihr seid alle Kinder Adams und Adam ist aus Lehm geschaffen. Der Araber hat dem Nichtaraber nichts voraus und der Weiße nicht dem Schwarzen. Das Einzige, worin sie sich übertreffen können, ist ihre Frömmigkeit und ihre Ehrfurcht vor Allah.“ [10]

Ya Rasulallah! Gemeinsam mit unseren Geschwistern, die heute in dieser Moschee die Reihen füllen und deren Herzen voller Liebe sind für den Propheten (saw), erheben wir unsere Hände, um die verletzte Menschenwürde wieder herzustellen und zu bestätigen, dass Sie uns gesandt sind von Allah, uns ein Wegweiser und bestes Vorbild. Und mit den Worten „La ilahe illallah, muhammadun rasulullah“ erneuern wir unseren Bund mit Allah. Und wir erneuern hiermit unsere Verbundenheit mit Ihnen. Salāt und salām seien auf Ihnen o Prophet Muhammad!

[1] A’rāf, 7/172.
[2] Hidschr, 15/26.
[3] Sadschda, 32/9.
[4] Baqara, 2/34.
[5] Tīn, 95/1-4.
[6] Isrāʾ, 17/70.
[7] Hudschurāt, 49/13.
[8] Muslim, Birr, 32.
[9] Muslim, Īmān, 22.
[10] Ahmed b. Hanbal, V, 411.

Predigtkommission DITIB Köln

2013-04-26    


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