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2012-11-15 | Grußbotschaft

Grußbotschaft zum islamischen Neujahr

Die Auswanderung unseres Propheten (saw) von Mekka nach Medina im Jahre 622 n. Chr., die Hidschra, war eine Zäsur in der Geschichte des Islam. Der Kalif Omar (r.a.) setzte dieses einschneidende Ereignis im Nachhinein als Beginn der islamischen Zeitrechnung fest. Der erste Monat im islamischen Mondkalender, der sich am Lauf des Mondes orientiert und daher trotz seiner 12 Monate um 10 Tage kürzer ist als das Sonnenjahr, ist der “Muharram”. Seines namens ist er der Monat, der  als haram: verboten bzw. für tabu erklärt, gewisse Dinge in ihm unantasbar und der Monat damit insgesamt als heilig gilt. So ist es verboten in ihm nach Leben zu trachten oder Menschen auch nur zu kränken. Vielmehr sollten in diesem Monat die Herzen der Menschen (wieder) gewonnen sowie Einheit und Zusammenhalt in der Gesellschaft noch intensiviert werden. Er ist, um es in den Worten unseres Propheten (saw) zu sagen: “ ... der Monat Allahs. Kein Monat ist nach dem Ramadan so verdienstvoll für das Fasten wie der Muharram.”

Er ist uns der Monat, da die Muslime wieder enger rücken in ihren Reihen. Ein segensreicher Zeitabschnitt, da die Grundpfeiler, die die Herzen tragen, wieder gefestigt werden und die Gläubigen alle miteinanader fest an die Richtschnur Allahs sich klammern. Denn der Muharram in seiner Konnotation “verboten”, “unantastbar” steht für uns auch für das Verbot der Ausgrenzung und Diskriminierung, dafür, dass es kein “Wir” und “die Anderen” gibt. Schließlich ist er der Monat des “Verlassens”, in ihm dem Menschen mit dem Auswandern auch befohlen wurde zu verlassen seine Neigungen, die der Botschaft der Offenbarung und seiner Schöpfung zuwider ihn handeln lassen. Ein Monat, der die Muslime ihre Einheit im Glauben an den Einen und Einzigen Allah, den Erbarmer (rahman) und Barmherzigen (rahim) und ihr Sein als Geschwister unter der Leitung Seines reinen und ehrwürdigen Gesandten wieder gewahren lässt.

Der Muharram nimmt seinen Anfang mit der Auswanderung von Mekka nach Medina und diese steht symbolisch auch für den Schutz des Glaubens, dafür, ihn leben und leben lassen zu können. Dies ist aber bei Weitem nicht die einzige Symbolik, für die dieser Monat steht. So ist mit ihm unbedingt auch verbunden das Bild von der legendären Solidarität zwischen den Ensar und den Muhadschirin, den Muslimen in Medina und den zugezogenen Muslimen aus Mekka. Von ihrem gemeinsamen Kampf für ihr Fortbestehen. Die Hidschra steht mit Alledem aber auch für den Mut und den Erfolg, auf offenbarten Geheiß Allahs zu verlassen die Heimat, Haus und Hof, die nächsten Verwandten und alles andere, was einem lieb und teur ist, und aufzubrechen in Richtung eines freien Lebens. So steht der Name dieses Monats auch für die Selbstlosigkeit der Ensar, die ihre Glaubensbrüder aus Mekka nicht nur aufgenommen, sondern, rein um des Wohlgefallen Allahs willen, mit ihnen auch alles geteilt haben was sie selbst in Händen hatten.

In der Aschura-Grütze, die traditionell am 10. Muharram verteilt wird, begegnet uns dabei eine weitere Symbolik: Alle Ingredienzien der speziell für diesen Tag zubereiteten Grütze aus unterschiedlichen Getreidearten, Trockenfrüchten und allerlei Gewürzen tragen bei Beibehaltung ihrer Eigenständigkeit, der ihnen eigenen Form sowie Farb- und Duftgebung, zu einem neuen, ganz anderen Geschmack, zu einem gemeinsamen Ganzen bei. Gleich den Gläubigen dieser Religion, die, so unterschiedlich sie auch sind in Hautfarbe, Sprache, Herkunft und Kultur, so doch eine Einheit bilden. Diese Symbolik gehört aber auch weiter getragen an eine andere Stelle. Führt sie uns doch vor Augen, dass damit auch ein friedliches Miteinander von Menschen unterschiedlichster Religionszugehörigkeit, Meinung und Herkunft bei Beibehaltung wieder der eigenen Identität möglich ist.

Der Muharram ist der Trauermonat der Muslime. Es war der 10. Muharram im Jahre 61 der Hidschra (10. Oktober 680 n. Chr.), als der Prophetenenkel Hussein und seine Familienangehörigen im Kampf um die politische Führung des jungen Gemeinwesens bzw. im Bestreben, diese ihm zu entreißen, bei Kerbela den Märtyrertod fanden. Dieses tragische wie verabscheuungswürdige Ereignis, das eingehen sollte in die Geschichte des Islam als der “Vorfall bei Kerbela”, hat Muslime aller Coleur, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rechts- und Denkschule zutiefst verwundet. Gleichwohl hat es ihnen als Vorlage gedient und sie darin beseelt, diesem Vorbild folgend vorzugehen gegen Ungerechtigkeit in Würde und sich einzusetzen für die Wahrheit, das Rechte und die Gerechtigkeit. Ihnen insgesamt aufgezeigt, wie wichtig es ist, mit Stolz aber ohne Hochmut gemeinsam gegen Unrecht und Unterdrückung vorzugehen. In dieser Hinsicht lehrte sie Kerbela, aufzubegehren gegen Unterdrückung, gegen diejenigen, die das Gewissen der Menschheit zum Schweigen bringen wollen und stattdessen gemeinsam aufzubrechen für die Etablierung des Rechts.

Der Muharram ist auch der Monat der eigenen Revision. In ihm sollten die Gläubigen zurückblicken auf das vergangene Jahr und sich selbst fragen, ob ihr Handeln in diesem auch recht und billig war, ob sie ethischer und weiser hätten handeln und in welchen Punkten sie sich im kommenden Jahr bessern können. Wir erheben daher in diesem Monat unsere Hände und beten erlangen zu können das Wohlwollen Allahs. Beten und fasten, um so manches Wort und so manche Tat zurückhaltend uns und unsere Triebe im Zaum halten und Letztere damit bändigen zu lernen.

Dieser Monat lässt die Muslime schließlich ihre Dissensen und unterschiedlichen Traditionen, die ihnen nur eine Bereicherung sind, beiseite legen und ihre Reihen enger schließend demonstrieren die schönsten Beispiele von Einheit und Zusammenhalt.

Mit diesen Worten wünschen wir den Muslimen in Deutschland und auf der ganzen Welt ein gesegnetes neues Jahr in Einheit und Zusammenhalt.


Vorstand DITIB-Dachverband