Nachrichten und Pressemeldungen

2025-12-23 | Pressemeldung

Weihnachtsbotschaft

Liebe Christinnen und Christen,

sehr geehrte Dialogpartnerinnen und Dialogpartner,

sehr geehrte Damen und Herren,

zum Weihnachtsfest übermitteln wir Ihnen, Ihren Familien und Gemeinden im Namen unserer Moscheegemeinden herzliche Grüße und Segenswünsche. Möge das Fest der Geburt Jesu für Sie zu einer Quelle der Erneuerung werden – ein gesegnetes Weihnachtsfest, das Hoffnung schenkt, innere Kraft stärkt und Zuversicht wachsen lässt.

Weihnachten lenkt den Blick auf die Nähe Gottes in einer verletzlichen Welt. Es erinnert daran, dass göttliche Barmherzigkeit nicht fern bleibt, sondern dem Menschen zugewandt ist. Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirsten Fehrs, hat dies in ihrer Weihnachtsbotschaft eindrücklich formuliert, wenn sie daran erinnert, dass Weihnachten „ein anderes Licht auf diese Welt wirft“ und Menschlichkeit der Angst und Gewalt entgegensetzt. Dieses Licht steht für Hoffnung, für Zuwendung und für die Verantwortung füreinander – gerade in Zeiten der Verunsicherung.

Diese Deutung berührt auch uns als muslimische Religionsgemeinschaft. Licht ist in unseren religiösen Traditionen ein zentrales Zeichen göttlicher Nähe, Orientierung und Barmherzigkeit. In Jesus (ʿĪsā), dem Sohn der Maria, sehen wir einen von Gott Gesandten und ein Zeichen Seiner Gnade. Sein Leben und Wirken verweisen auf eine Haltung der Nächstenliebe, der Zuwendung zu den Schwachen und der Verantwortung für den Frieden. Darin erkennen wir einen gemeinsamen ethischen Bezugspunkt, der unsere Religionen miteinander verbindet.

In diesem Geist blicken wir in diesem Jahr gemeinsam auf das 60-jährige Jubiläum der Erklärung Nostra Aetate. Sie hat das Bewusstsein dafür geschärft, dass alle Menschen als Geschöpfe Gottes in Würde leben und den einen Gott in Ehrfurcht anrufen. Nostra Aetate ruft zu Dialog, Respekt und zur gemeinsamen Verantwortung für die Welt auf. Als muslimische Religionsgemeinschaft erkennen wir uns in diesem Anliegen wieder. Auch unsere Tradition betont, dass Gott die Menschen in ihrer Vielfalt erschaffen und ihnen die Aufgabe anvertraut hat, gerecht zusammenzuleben und die Schöpfung zu bewahren (vgl. Koran 30:22).

Zugleich leben wir in einer Zeit großer globaler und gesellschaftlicher Herausforderungen. Auf der Mittelmeerinsel Lampedusa erinnerte Papst Franziskus an die vielen Menschen, die auf der Flucht ihr Leben verloren haben, und sprach von einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“, die uns die Fähigkeit zu trauern und mitzufühlen nehme. Als Muslime schließen wir uns dieser Mahnung in tiefer Übereinstimmung an. Sie ruft uns ins Bewusstsein, dass Leid nicht anonym bleiben darf und dass Menschlichkeit dort beginnt, wo wir das Schicksal des anderen an uns heranlassen.

Judentum und Christentum gehören zu unserem religiösen Gedächtnis. Die gemeinsame Geschichte der Offenbarung verbindet uns ebenso wie die Verantwortung für die Gegenwart. Unsere gelebte Vielfalt, das gemeinsame Feiern, das gemeinsame Handeln und das Eintreten für das Gute zwischen den Religionen verstehen wir als große Errungenschaft. Der Koran ruft die Menschen dazu auf, einander kennenzulernen und mit Achtung zu begegnen (vgl. Koran 49:13). Dieser Auftrag bleibt angesichts gesellschaftlicher Polarisierung aktueller denn je.

In schmerzhafter Weise hat Papst Franziskus auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an das Leid der Menschen erinnert, die auf der Flucht ihr Leben verloren haben. Er sprach von einer Haltung, die unsere Zeit tief prägt, und sagte: „Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt. Es betrifft uns nicht. Es interessiert uns nicht. Es geht uns nichts an! … Die Globalisierung der Gleichgültigkeit hat uns die Fähigkeit genommen zu weinen.“ Diese Worte haben weit über die katholische Kirche hinaus Resonanz gefunden. Als muslimische Religionsgemeinschaft schließen wir uns dieser Mahnung ausdrücklich an. Sie erinnert uns daran, dass Glauben ohne Mitgefühl leer bleibt und dass die Würde des Menschen dort verletzt wird, wo Leid verdrängt, relativiert oder anonymisiert wird.

Denn wir erleben, wie grundlegende ethische und soziale Werte unter Druck geraten. Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Solidarität werden in politischen und gesellschaftlichen Debatten zunehmend relativiert. Menschen werden auf Kategorien wie Nutzen, Kosten oder Herkunft reduziert, statt in ihrer unverletzlichen Würde wahrgenommen zu werden. Militarisierte Sprache, Aufrüstung, Populismus und Nationalismus gefährden das friedliche Zusammenleben. Gleichzeitig wird Religion in einer stark säkularisierten Gesellschaft oft nur noch als geduldet wahrgenommen.

Gerade in dieser Situation sind Religionsgemeinschaften in besonderer Weise gefragt. Wir tragen Mitverantwortung für ein menschenwürdiges Leben, das auf Dauer nur in pluralen und demokratischen Gesellschaften möglich ist. Demokratie ist für uns ein zentraler Weg, um Menschenwürde, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und friedliche Konfliktlösung zu sichern. Deshalb sehen wir es als gemeinsame Aufgabe, uns entschieden für Gerechtigkeit, Frieden und den Schutz der Schwächsten einzusetzen.

Weihnachten erinnert uns dabei an eine zentrale Wahrheit: Licht scheint in der Dunkelheit, ohne sie zu verleugnen. Der christliche Glaube bekennt: „Das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht ergriffen“ (Joh 1,5). Auch wir erkennen darin eine Einladung, inneren und äußeren Frieden zu suchen – Frieden in den Herzen, in Familien und Gemeinden, in der Gesellschaft und zwischen den Völkern.

Mit Blick auf das kommende Jahr verbinden wir diese Weihnachtsbotschaft mit der Sehnsucht nach Versöhnung, Verständigung und Vertrauen. Möge dieses Weihnachtsfest ein Auftakt zu einem Jahr sein, in dem Frieden mehr Raum gewinnt. „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, und in deinem Licht sehen wir das Licht“ (Ps 36,10).
 

Als Religionsgemeinschaften tragen wir gemeinsam Verantwortung:

für Begegnung, Dialog und Verständigung,

für den Schutz der Würde jedes Menschen,

für die Bewahrung der Schöpfung und des Lebens.

Gerade an Weihnachten, wenn Christinnen und Christen die Nähe Gottes zum Menschen feiern, erinnern wir uns gemeinsam daran: Jede menschliche Person besitzt eine unveräußerliche Würde. Religionen sind aufgerufen, aus der Kraft ihrer ethischen Grundlagen jeder Abwertung menschlichen Lebens entschieden entgegenzutreten. Papst Franziskus hat dies mit den Worten bekräftigt: „Ungerechtigkeit an einem Ort ist eine Bedrohung für die Gerechtigkeit überall.“

In dieser Überzeugung wünschen wir Ihnen, Ihren Angehörigen und Ihren Gemeinden von Herzen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Möge es Ihnen Frieden, Hoffnung und Zuversicht schenken und die Zusammenarbeit zwischen unseren Gemeinschaften im Geist des Respekts, des Vertrauens und der Geschwisterlichkeit weiter vertiefen.

Mit herzlichen und brüderlichen Grüßen

DITIB Bundesverband