Freitagspredigt (PDF)

بِسْمِ اللّٰهِ الرَّحْمٰنِ الرَّحِيمِ 

اِنَّ اللّٰهَ يَأْمُرُكُمْ اَنْ تُؤَدُّوا الْاَمَانَاتِ اِلٰى اَهْلِهَاۙ

وَإِذَا حَكَمْتُم بَيْنَ النَّاسِ أَن تَحْكُمُوا بِالْعَدْلِ^ط إِنَّ اللّهَ نِعِمَّا يَعِظُكُم بِهِ^ط إِنَّ اللّهَ كَانَ سَمِيعًا بَصِيرًا

وقال النبي صلى الله تعالى عليه وسلم:

اِتَّقُوا اللَّهَ وَاعْدِلُوا فِى أَوْلاَدِكُمْ

Ist unser Bewusstsein für Gerechtigkeit und Fairness ausreichend?
(24.11.2023)

Liebe Geschwister Werte Gläubige!
Eine der grundlegenden moralischen Tugenden, die wir in jedem Bereich unseres Lebens anwenden sollten, ist das Prinzip der ‚Gerechtigkeit‘. Die Gerechtigkeit, die ein religiöses, rechtliches und ethisches Konzept ist, bedeutet, unabhängig von Religion, Sprache, Herkunft, Kultur, Geschlecht, Amt und Stellung sowie ohne Diskriminierung jedem sein Recht zu geben. 
Der Islam ist eine Religion des ‚Tawhid‘ (Monotheismus), in der wir unsere Pflichten des Dienens gegenüber Allah erfüllen. Er ist zugleich eine Religion der ‚Gerechtigkeit‘, in der wir unsere Verantwortung gegenüber allen Lebewesen, insbesondere den Menschen, und der gesamten Natur nicht vernachlässigen können. Unser erhabener Herr gibt uns im edlen Koran folgende Anweisungen und Empfehlungen in Bezug auf Gerechtigkeit: „Gläubige! Seid Wahrer der Gerechtigkeit, Zeugen für Allah, und sei es auch gegen euch selbst oder eure Eltern und Verwandten. Ob er (der Betreffende) reich oder arm ist, so steht Allah beiden näher. Darum folgt nicht der Neigung, dass ihr abweicht (vom Recht) (…)“¹; „Gläubige! (…) Der Hass, den ihr gegen (bestimmte) Leute hegt, soll euch ja nicht zur Ungerechtigkeit verleiten. Seid Gerecht! Das ist der Gottesfurcht näher. Und fürchtet Allah! Gewiss, Allah kennt euer Tun.“²; „Allah gebietet euch, anvertraute Güter ihren (befugten) Besitzern wiederzugeben, und wenn ihr zwischen den Menschen richtet, in Gerechtigkeit zu richten (…)“³

Geehrte Geschwister!
Schon bevor er zum Propheten wurde, war der Prophet Muhammed (s) der Inbegriff der Gerechtigkeit. Er war ein junger Mann, auf dessen Gerechtigkeit die Menschen vertrauten und dessen Urteil sie akzeptierten, als sie sich über die Platzierung des Hadschar al-Aswad an der Kaaba uneinig waren.⁴ Auch nachdem er als Prophet auserwählt wurde, behandelte er alle Menschen weiterhin gerecht. Er sagte: „Selbst wenn die schuldige Person meine Tochter Fatima wäre, würde ich nicht zögern, sie zu bestrafen!“⁵, und stellte Allahs Willen hinsichtlich der Gerechtigkeit über alles andere. Der Prophet der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit riet uns; auch bei der Vergabe von Geschenken an unsere Kinder die Gerechtigkeit zu wahren;⁶jedem Rechtmäßigen sein Recht zuzugestehen;⁷ und mit dem Bewusstsein für Gerechtigkeit und Fairness zu handeln, wenn wir eine Entscheidung (in einer Angelegenheit) treffen.⁸ In einem weiteren Hadis verkündete der Prophet die frohe Botschaft, dass diejenigen, die gegenüber den Menschen, die sie regieren, ihren Familien und denjenigen, für die sie  verantwortlich sind, gerecht handeln, auf Kanzeln aus Licht in der Gegenwart Allahs willkommen geheißen werden.⁹

Geschwister!
Gerechtigkeit ist nicht nur die Verfolgung eines Rechtsanspruchs, der vor Gericht geltend gemacht wird - und sollte es auch nicht sein. Gerechtigkeit ist die Tugend des unparteiischen Urteils, ohne persönliche Beziehungen wie die zum Ehepartner, zu Freunden, Verwandten oder Landsleuten in den Vordergrund zu stellen. Die Gerechtigkeit ist ein grundlegendes Prinzip, das die Beziehungen der Menschen untereinander und der Staaten zu ihren Gesellschaften formt. Gerechtigkeit ist der einzige Wunsch eines jeden gewissenhaften Menschen, insbesondere in Regionen, in denen Kriege, Konflikte, Hunger, Not, Armut und Verzweiflung herrschen. 
Jeder Mensch möchte an einem Arbeitsplatz arbeiten, an dem seine Vorgesetzten fair sind. Jeder Mensch möchte in einer Umgebung Bildung erhalten, in der die Lehrer ihn fair behandeln. Jeder Mensch möchte in einer Familie leben, in der er von seinen Eltern fair behandelt wird. Jeder Mensch möchte in einem gerechten und fairen Land leben, in dem es keine Diskriminierung seitens der Staatsführenden gibt. An einem Ort, an dem Gerechtigkeit und Fairness gewahrt werden, herrscht soziale Ordnung, gesellschaftlicher Frieden und wirtschaftliches Gleichgewicht. Wir sollten nicht vergessen, dass dort, wo das Gleichgewicht der Gerechtigkeit gestört wird, sowohl die Ehre als auch die Würde der Menschen mit Füßen getreten werden. Ohne Gerechtigkeit gibt es kein Gewissen, keine Gnade, keine Moral, keine Menschlichkeit. In einer Welt, in der die Stimme der Gerechtigkeit nicht erhört wird, ertönen die Schreie unschuldiger Kinder, der Fluch verzweifelter Väter und das Leid untröstlicher Mütter.
Oh Allah! Gewähre uns die schönen Tage auf dieser Kanzel, an denen wir nicht das Leid und die Seufzer der unterdrückten Menschen verkünden, sondern ihre Freuden. Oh Allah, mache uns zu Deinen Dienern, die - egal unter welchen Umständen - nicht von der Gerechtigkeit und der Fairness abweichen und so Deine Zustimmung und Liebe verdienen! Du bist die empfindlichste Waage der Gerechtigkeit; lasse uns nie vergessen, dass Du in unseren Gewissen bist, oh Allah! Wenn der Tag der Abrechnung kommt und die empfindlichen Waagen der Gerechtigkeit aufgerichtet werden, oh Allah, dann mache uns zu denjenigen, deren Wohltaten schwerer wiegen als ihre Sünden, und zu denjenigen, die ein glückliches Leben erlangen, mit dem Du zufrieden bist!¹⁰

Die DITIB-Predigtkommission

_{¹ Koran, an-Nisa, 4/135.
² Koran, al-Ma’ida, 5/8.
³ Koran, an-Nisa, 4/58.
⁴ Ibn Hischam, Sirah, II, 18-19.
⁵ Bukhari, Hudu, 11.
⁶ Bukhari, Hiba, 12, 13.
⁷ Bukhari, Sawm, 51.
⁸ Tabarani, al-Mu’dscham al-Kabir, IV, 40-41.
⁹ Nasa’i, Adab al-Qudat, 1.
¹⁰ Koran, al-Qari’a, 101/6-7.}