Freitagspredigt

Der Ruf, der zum Glauben einlädt – der Ezan
بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ
وَإِذَا نَادَيْتُمْ إِلَى الصَّلٰوةِ اتَّخَذُوهَا هُزُواً وَلَعِباً ذَلِكَ بِأَنَّهُمْ قَوْمٌ لاَ يَعْقِلُونَ
Bismillahirrahmanirrahim
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Und wenn ihr zum Gebet ruft, treiben sie ihren Spott und Scherz damit. Dies nur, weil sie ein Volk sind, das nicht Verstandes begabt ist.”                  

                                                                                                                                                   [Sure “Maida”, Vers 58]


Verehrte Muslime,

das arabisch-türkische Wort für Gebetsruf, ezan, leitet sich ab vom arabischen Verb “a-za-na” : mitteilen, ausrufen, einladen bzw. rufen zu oder auch verkünden. Als Fachbegriff bezeichnen wir mit ezan den Ruf der Muslime, der den Eintritt der Zeit für das jeweilige Ritualgebet Kund gibt - und dies mit bestimmten Worten und in einer bestimmten Art und Weise, nämlich bestimmten Tonarten der Musik folgend. Dieser Gebetsruf ist eine bekräftigte Sunna (sunna mu’akkada), d.h. eine Sunna, die zu unterlassen nicht erlaubt ist. Als solche ist der Gebetsruf zu einem Symbol des Islam geworden. Er erinnert die Muslime sowohl daran, dass die Zeit für das Gebet eingetreten ist als auch an das Gebet selbst. Nicht nur die Erhabenheit Allahs kommt im Gebetsruf zum Ausdruck, sondern wird auch verkündet, dass Muhammad (s.a.w.) Sein Diener und Gesandter ist sowie Heil und Errettung ist im Gebet. [1]

Somit ruft der ezan sowohl zum Einheitsglauben und Islam als auch zum Gebet. Denn ruft der Muezzin zum Gebet, so ruft er auch zu den Grundprinzipien des Islam bzw. kündet diese: die Einheit und Exixstenz Allahs, dass es keine andere Gottheit gibt, außer Ihm, dass Muhammad (s.a.w.) Sein Gesandter ist und dass schließlich Errettung nur zu suchen ist in der Dienerschaft Allahs. Mit anderen Worten finden wir im Gebetsruf wieder die Grundprinzipien des Islam. Er ist also eine Art Zusammenfassung dieser.

Verehrte Brüder und Schwestern,

diese Worte dringen, in Klang verkleidet, nicht nur in unsere Ohren und künden hier von einer Transzendenz, sondern steigen dabei auch empor in höhere Sphhähren des Himmels. Gleich der Worte unseres erhabenen Herrn, der uns im Koran wissen lässt: “Die schönsten und reinsten Worte steigen auf zu Allah!”, [2] dringt der Gebetsruf über die Himmel hinaus in höhere und schließlich höchste Sphären.

Verehrte Muslime,

der Gebetsruf ist ein Symbol und Anzeichen dafür, dass an einem Ort Muslime leben. In Orten, in denen der Gebetsruf ausbleibt, verwaisen die Seelen der Muslime regelrecht. Erst dann begreifen sie, was es bedeutet, keinen Gebetsruf zu hören und sich nach diesem zu sehnen. Diese Sehnsucht müssten wir hier alle gut kennen. Und aus diesem Grunde wohl gemahnte uns unser Prophet (s.a.w.) dereinst, Neugeborenen den Gebetsruf (ezan) sowie den Ruf zur Aufstellung zum Gebet (kamet) in das Ohr zu rufen. [3] Denn der Gebetsruf ist die Quintessenz, die Seele des Islam. Wer also seinem Neugeborenen den ezan in das Ohr ruft, haucht seinem Kind eben diese ein und schützt ihn damit, wenn auch nur zum Teil, vor der Sehnsucht wie beschrieben.

Verehrte Muslime,

im Koran werden wir wie folgt ermahnt, den Gebetsruf und damit das Gebet nicht auf die leichte Schulter zu nehmen: “Und wenn ihr zum Gebet ruft, treiben sie ihren Spott und Scherz damit. Dies nur, weil sie ein Volk sind, das nicht Verstandes begabt ist.” [4]

Und wie dieser Respekt auszusehen hat vor dem Gebetsruf, das erfahren wir, wie in allen anderen Bereichen unseres religiösen Lebens auch, von unserem geliebten Propheten (s.a.w.): „Wenn der Muezzin das ‚Allahu akbar’ ruft, so sprecht ihm aufrichtig nach und folgt auch dem weiteren Gebetsruf. Wenn er dann zum ‚hayya ala s-salah’ sowie zum ‚hayya ala l-falah’ ausholt, so sprecht: ‚la hawla wa la quwwata illa billah’ und sprecht den ganzen Gebetsruf mit dem Muezzin zu Ende. So werdet ihr ins Paradies gelangen.“ [5]

Aus einem anderen Hadis unseres Propheten (s.a.w.) erfahren wir wiederum, dass er am Tag des Jüngsten Gerichts für diejenigen Fürsprache halten wird, die nach dem Gebetsruf folgendes Gebet sprechen „O Allah, Herr dieses vollendeten Aufrufs und des bevorstehenden Ritualgebets. Gib Muhammad Rang und Stellung (einen hohen Rang im Paradies). Und erhöhe ihn auf den rühmlichen Rang (den Rang eines Fürsprechers), den Du ihm versprochen hast.“ [6]

Die heutige Predigt beende ich an dieser Stelle mit einem weiteren Hadis, der uns einen Einblick gibt in die Vorzüge des Gebetsrufs: „Wenn die Menschen um die Vorzüge des Gebetsrufs sowie des Gebets in der ersten Reihe wüssten, würden sie keinen Platz finden in der Moschee und die Plätze untereinander per Los vergeben …“ [7]

[1] Dini Kavramlar Sözlüğü, DİB, “ezan”.
[2] Fatir, 10.
[3] Tirmizi. Edaha,15.
[4] Maida, 5/58.
[5] Muslim, Salat 12; Ebu Davud, Salat 36.
[6] Riyazu s-Salihin, Hadis Nr: 1043.
[7] Riyazu s-Salihin, Hadis Nr: 1037.

Süleyman TEKŞEN
Religionsbeauftragter der DITIB-Zentralmoschee in Regensburg

2011-11-25    


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