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2022-04-20 | Pressemeldung

Erster traditioneller İftar nach der Pandemie

Anlässlich des Ramadan fand am gestrigen Dienstag der traditionelle Iftar-Empfang des DITIB-Bundesverbades in der Zentralmoschee Köln statt.

Nach einer einleitenden Koran-Rezitation konnten nach dreijähriger Pause die anwesenden Gäste begrüßt werden.

So betonten Kazim Türkmen, Vorstandsvorsitzender im DITIB-Bundesvorstand, die Bedeutung des Ramadan gerade in schwierigen Zeiten: „Ich freue mich sehr, sie nach 3 Jahren endlich wieder zum Iftar in der Zentralmoschee Köln zu begrüßen. Ich habe das gemeinsame Iftar vermisst, ich habe diese Gemeinschaft vermisst. Und Gemeinschaft, sehr geehrte Gäste, ist der zentrale Moment, der die letzten drei Jahre eint. Denn schwere und entsagungsreiche Zeiten liegen hinter uns. Die letzten Jahre hatten viele Herausforderungen – individuell, gesellschaftlich und global. Beginnend mit der Corona-Pandemie Ende 2019, rückten wir trotz der notwendigen Distanz zusammen, fanden neue Wege der Kommunikation und Gemeinschaft. Und dann, ganz plötzlich, kam die Flutkatastrophe, kamen europaweite Brand- und weitere Naturkatastrophen. […] Aber auch das neue Jahr hat uns mit Eindrücken überwältigt, die nicht minder beängstigend und zukunfts-bedrohlich wirken. Der Krieg in der Ukraine hat nicht nur gewaltsame und geopolitische Instabilität ausgelöst, sondern viele Menschen getötet, verletzt, vertrieben und heimatlos gemacht. Dies ist nicht nur eine politische, sondern vor allem eine humanitäre Katastrophe, die ganz Europa betrifft. All unsere Solidarität und Anteilnahme gilt den Opfern all der sinnlosen Kriege weltweit, in Syrien, Afghanistan und in anderen Krisenherde dieser Welt.

Und wieder müssen wir stark sein angesichts dieser unfassbaren humanitären Nöte, müssen noch mehr zusammenrücken, müssen eine echte Schicksalsgemeinschaft werden, in der wir uns solidarisieren, uns gegenseitig helfen, empathisch sind und über unsere Grenzen hinweg handeln. Der Einsatz für den Frieden ist unser oberstes Gebot.

Gerade in diesen schweren Zeiten ist der Ramadan als eine Phase der bewussten Solidarität und Barmherzigkeiten auch für die gemeinsame gesellschaftliche Verantwortung als Basis des Miteinanders von großer Bedeutung. Und schafft ein Stück Normalität, wonach es uns allen so sehr dürstet.

Und das gemeinsame Erleben derart tief verankerter, religiöser Traditionen stärkt das Gefühl der Beheimatung und Empathie aller Gläubigen in unserem Land. Dazu gehört auch, wie jetzt in Köln bald möglich, der öffentliche Gebetsruf. Wir begrüßen diese Entwicklung ausdrücklich. Allerdings: in über 200 Gemeinden ist man hierbei bereits viel weiter, sodass der öffentliche Gebetsruf dort längst Alltag und Normalität ist. Ermöglicht es doch, ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt als gesellschaftlichen Reichtum zu sehen, in dem jeder gleichberechtigt ist.

Diese Wahrnehmung der Beheimatung und Empathie sehen wir auch zunehmend in der öffentlichen Wahrnehmung des Ramadan, der Moscheen und Muslime. Wir danken all den öffentlichen Akteuren und Politikern, bis hin zum höchsten Repräsentanten, dem Bundespräsidenten, die ermutigende und inspirierende Botschaften zum Beginn des Ramadan sandten. Und nur so kann jeder einzelne Muslim, jede Moschee in diesem Land sich auch als Teil der Gemeinschaft dieses Landes fühlen, womit sich der Kreis zum Beginn meiner Rede schließt:

Gemeinschaft, sehr geehrte Gäste, ist der zentrale Moment, der die letzten drei Jahre eint. Gemeinschaft muss man immer wieder herstellen und stärken. Wir müssen gemeinsam daran arbeiten. Und vielleicht müssen wir sie auch weiter denken, als bisher: Die Menschheit sollte erkennen, dass sie auf diesem Planeten mit allen Geschöpfen und Wesen dieser Welt nur in gegenseitiger Verantwortung leben kann. Auch die Verantwortung gegenüber unserer Umwelt ist eine grundlegende Verpflichtung gegenüber der Zukunft der Menschheit. Auch das sollten wir nicht vergessen. Und aus Geschichte, Gegenwart und globalen Entwicklungen und Entgleisungen müssen wir die notwendigen Konsequenzen ziehen. Auch uns als Religionsgemeinschaften kommt diesbezüglich eine große Verantwortung zu.“

Nach diesen einleitenden Worten wandte sich Herr Nathanael Liminski, Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, an die Gäste:

„Nächstenliebe und Solidarität - das verbindet uns über die Religionen und Konfessionen hinweg. Und das ist es auch, was wir aus Nordrhein-Westfalen dem Krieg Putins gegen die Ukraine entgegen setzen. Wer vor den Bomben und Raketen von Präsident Putin fliehen muss, den heißen wir in Nordrhein-Westfalen willkommen. Was wir nicht zuletzt dank des Einsatzes der Moscheegemeinden 2015 für die Flüchtenden aus Syrien geschafft haben, das wird uns auch jetzt zusammen für die Fliehenden aus der Ukraine gelingen.“ Und weiter:  „Das Jahr 2022 begann mit den fürchterlichen Bildern von der Zerstörung muslimischer Grabstätten in Iserlohn. Die Ehrung der Toten gehört zur menschlichen Kultur, in jedem Land, in jeder Religion. Die Menschenfeindlichkeit der Täter von Iserlohn machte selbst vor der Totenruhe keinen Halt. Wir werden muslimische Friedhöfe und Gotteshäuser in Nordrhein-Westfalen schätzen.

Hass und Hetze erleben Muslime auch in ihrer direkten Nachbarschaft in Nordrhein-Westfalen: Über 110 Straftaten mit einem muslimfeindlichen Hintergrund wurden 2021 in NRW registriert - und das sind nur die offiziell bekannten Delikte. Wir schaffen Abhilfe: Mit der neuen Meldestelle gegen antimuslimischen Rassismus wollen wir bereits vor der Strafbarkeit ansetzen, um zu sensibilisieren und zu sanktionieren.

Muslime sind essentieller und wichtiger Teil unserer Gesellschaft. Ich danke - namens der Landesregierung - für den großen Beitrag, den die Moscheegemeinden zur Überwindung der Corona-Pandemie geleistet haben - durch Informationsarbeit, Schutzvorkehrungen und als Impforte. Wer sich gegen diesen Teil der Gesellschaft stellt, stellt sich gegen uns alle. Wir lassen uns nicht auseinandertreiben. Wir stehen Seite an Seite. Die Zentralmoschee von Köln-Ehrenfeld war Projektionsfläche für viele Ängste - und sie ist längst zu einem Ort der Vielfalt, der Begegnung und des Miteinanders geworden. Köln ist ein Vorbild für ein friedvolles Miteinander von Kulturen und Religionen, das weit über die Landesgrenzen hinaus strahlt.“

Anschließend überbrachte Pfarrerin Dorothee Scharper in ihrer Rede drei Dinge: einen Gruß, einen Dank und ein Wort der Hoffnung. Aus dem Grußwort der evangelischen Landeskirchen und der katholischen Bistümer in Nordrhein-Westfalen zitierte Sie folgende Passagen:

„Sehr geehrte, liebe muslimische Gläubige!
Wer Ihnen begegnet, darf erleben, welche große Bedeutung Geduld und Gottvertrauen im Islam besitzen. Das sind gute Gaben - für alle. Wo Menschen sie besitzen, strahlen sie leise und beständig in ihr soziales Umfeld aus.

In der Krise können Geduld und Gottvertrauen den Unterschied machen. Sie bewahren uns vor Resignation einerseits und kopflosem Handeln andererseits, denn sie sind eng verbunden mit einer weiteren wichtigen Gabe - der Hoffnung. Sinnvolles Handeln in der Krise braucht den Funken der Hoffnung, der aus Gottvertrauen und Geduld wächst. Wir sehen es in der Coronakrise, aber auch in der Klimakrise. Beide Krisen können uns in ihrer globalen Dimension mut- und ratlos machen.

Klima- wie Coronakrise fordern uns umfassend heraus. Nun sehen wir uns zudem durch den Angriff Russlands auf die Ukraine einem Krieg gegenüber. Das Leid, das er über Menschen bringt, ist nicht zu ermessen. Kein Mensch kann dem allen alleine entgegentreten. Ohne Geduld und Vertrauen in Gott und unsere Mitmenschen fehlt uns die Hoffnung. Ohne Hoffnung und ohne Nächstenliebe werden wir es nicht wagen, diese komplexen Herausforderungen anzugehen. Geduld, Gottesvertrauen und die Liebe zum Nächsten nähren die Hoffnung. Die Hoffnung aber macht uns stark in unserem Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Krieg und Ungerechtigkeit, Dürren und Überflutungen, Krankheit und Hunger werden nicht das letzte Wort haben. […]

Möge dieser Ramadan Ihnen und Ihren Gemeinden und Familien eine Quelle der Geduld, des Gottvertrauens und der Hoffnung eröffnen, die unsere Welt so sehr braucht. Gemeinsam mit allen Menschen guten Willens können wir so den Mut und die Entschlossenheit finden, nicht nachzulassen in unserer gemeinsamen Sorge für die Welt, die wir alle miteinander bewohnen.
Wir wünschen Ihnen und Ihren Familien und Gemeinschaften einen segensreichen Ramadan und ein frohes Fest des Fastenbrechens!“

Darüber hinaus dankte sie für die ganz konkrete, lokale Zusammenarbeit in den verschiedenen Kölner und überregionalen Projekte, die Zusammenarbeit im Rat der Religionen, beim Gebet der Religionen in der Stadt Köln, für die Zusammenarbeit in gemeinsamen Arbeitskreis „Weißt du, Wer ich bin“, und für die theologische Zusammenarbeit und den praktischen theologischen Austausch.

Daran anschließend sprach Rafi Rothenberg, Vorstandsvorsitzender derjüdisch-liberale Gemeinde Gescher LaMassoret, der insbesondre auf das Zusammenfallen der diesjährigen Hochfeste Ostern, Pessach, Ramadan und dem kommenden Ramadanfest betonte und am praktischen Beispiel seiner Nachbarschaft beschrieb. So unterschiedlich die Fasten- und Speisevorschriften im Judentum und Islam auch seien, so nah sei man sich dennoch in der gelebten Nachbarschaft vor Ort und im Bewusstsein füreinander. Das aktuelle Pessach ist (15.-23.04.), habe er und seine Frau auch zum traditionellen Iftar-Empfang den jüdischen Speisevorschriften entsprechend gegessen. Denn rituelles Essen, Erzählungen und Gesang erinnern daran, wie die Juden der Tora zufolge der Sklaverei entgingen.

So erklärte er die Speisevorschriften des ungesäuerten Brotes, die sogenannten Matzen, das eine besondere Bedeutung habe. Sie dürfen auf keiner Pessachtafel fehlen. Zum Abschluss seines sehr anschaulichen Vortrags wünschte er allen gleichermaßen: „Möge die kommende Zeit eine gute, friedliche Zeit sein. Ich wünsche Ihnen, uns, aus vollem Herzen Ramadan Kerim, Shalom, Selam“

Zum Abschluss sprach Turhan Kaya, Generalkonsul der Türkei in Köln, und betonte insbesondere die Verbindungen zwischen beiden Ländern: „Die türkischstämmige Gesellschaft in Deutschland und Nordrhein-Westfalen – ist das organische Bindeglied zwischen unseren beiden Ländern. Dieses menschliche Band ist quasi der Garant für unsere gemeinsame Zukunft.

Deshalb liegt uns das Wohlbefinden, das Recht und die Sicherheit dieser Menschen am Herzen. Im vergangenen Jahr haben wir den 60. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens gefeiert.In diesen 60 Jahren hat sich die Türkei verändert, Deutschland hat sich verändert, die türkische Gesellschaft hier hat sich verändert.

Hauptsächlich als Arbeiter und deren Familienmitglieder angefangen, sind türkischstämmige Menschen hierzulande mittlerweile im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben – teils stark – vertreten.

Sie sind ein fester Bestandteil Deutschlands geworden. Ihre volle gesellschaftliche Teilhabe gilt es von allen Seiten zu fördern.

Die DITIB hat in diesem Zusammenhang eine besondere Aufgabe zu: Nicht nur im Bereich der religiösen Angelegenheiten und der Seelsorge, sondern von der Kindererziehung und der Integration Jugendlicher, über die Altenpflege bis hin zu den immer zahlreicher werdenden Bestattungen, erfüllt die DITIB enorm wichtige gesellschaftliche Aufgaben.“

Und bezüglich der aktuellen Aufgaben: „Dazu sind neue Herausforderungen gekommen: allen voran Islamfeindlichkeit – also keine „-phobie“, sondern eine rassistische Haltung gegenüber Muslime, ähnlich wie beim Antisemitismus. Daher ist es uns wichtig, dass all diese Themen gesamtgesellschaftlich angegangen und notwendige Maßnahmen effektiv ergriffen werden. Auch hier wird die DITIB ein unschätzbar wertvoller Partner sein.“

Mit musikalischer Untermalung konnten bis zum Gebetsruf Gespräche geführt werden, sodass dann gemeinsam gespeist wurde. Nach einem unterhaltsamen Tee gab es für Interessenten noch die Möglichkeit, den Gebetssaal gemeinsam zu begehen und dem Teravih-Gebet beizuwohnen.