Freitagspredigt

Die Verwandtschaftsbande

بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ

يَا أَيُّهَا النَّاسُ اتَّقُواْ رَبَّكُمُ الَّذِي خَلَقَكُم مِّن نَّفْسٍ وَاحِدَةٍ وَخَلَقَ مِنْهَا زَوْجَهَا وَبَثَّ مِنْهُمَا رِجَالاً  كَثِيرًا وَنِسَاءً وَاتَّقُواْ اللّهَ الَّذِي تَسَاءَلُونَ بِهِ وَالأَرْحَامَ إِنَّ اللّهَ كَانَ عَلَيْكُمْ رَقِيبًا

Bismillāhirrahmānirrahīm
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“O ihr Menschen! Habt Ehrfurcht vor eurem Herrn, der euch erschuf aus einem einzigen Wesen und aus diesem auch dessen Partner und schließlich aus diesen beiden zahlreiche Männer und Frauen. Und habt Ehrfurcht vor Allah, in dessen Namen ihr einander bittet und hütet euch davor, die Verwandtschaft zu vernachlässigen. Sehet, Allah beobachtet euch genau.“

[Sure Nisāʾ, Vers 1]

Verehrte Geschwister,

der Islam ist eine soziale Religion. Als solche legt er auch sehr viel Wert auf die zwischenmenschlichen Beziehungen. Gerade diejenigen mit der nächsten Verwandtschaft und natürlich mit den eigenen Eltern müssen aufrecht erhalten und gepflegt werden. Die islamische Lehre spricht hier von den “Banden mit den Verwandten” (sıla-i rahim), die gehalten gehören.

Einer seiner Gefährten fragte unseren Propheten (saw): “O Gesandter Allahs! Gib mir Kunde über eine Handlung, die mich dem Paradies näher bringt und der Hölle mich entfernen lässt.” Der Prophet (saw) antwortete: “Diene Allah im Bewusstsein, dass Er der Eine und Einzige Gott ist, gesell Ihm nichts und niemanden bei. Verrichte das Gebet wie befohlen, entrichte die Zakat und besuch deine Verwandten.” Als der Gefährte sich abwandte und ging sagte der Prophet (saw) noch: “Wenn er macht, was ihm befohlen, kommt er in das Paradies.” [1]

Die “Bande mit den Verwandten” halten bedeutet, den Kontakt zu den Blutsverwandten und den angeheirateten Verwandten zu halten. Sich um sie zu kümmern, ihnen zu helfen bei Bedarf, sie zu besuchen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.

Selbst in Zeiten, da die Kommunikationsmöglichkeiten noch nicht so weit vorangeschritten waren, haben die Menschen Kontakt zu ihren Mitmenschen und gerade zu ihren Verwandten gesucht. Da nimmt es manchmal Wunder, dass gerade heute, im Kommunikationszeitalter, wir manchmal nicht vermögen sind, genügend Kontakt zu halten - nicht mal zu den eigenen Verwandten. Berufsleben und Alltag können uns manchmal so sehr einnehmen, dass wir uns in diese Welt zurück ziehen und unsere Verwandten vernachlässigen können.

Dabei ist uns mitgeteilt in einem Hadis, in dem Allah selbst zu Wort kommt, folgende Frohbotschaft: “Diejenigen, die den Kontakt zu ihren Verwandten und ihren Freunden nicht brechen und sich um Meiner willen besuchen, ja diese haben damit auch Meine Liebe verdient.” [2] Eigentlich Anreiz genug, doch werden wir auch weiter gewarnt, den Kontakt nicht abzubrechen mit den Verwandten. So heißt es in einem weiteren Hadis: “Wohltat wie Übeltat werden unterschiedlich schnell entlohnt. Nichts aber wird so schnell belohnt wie eine gute Tat und der Besuch der Verwandten; und umgekehrt nichts so schnell bestraft wie eine Ungerechtigkeit und der Bruch mit den Verwandten.” [3]

Es ist aber nicht nur dieser jenseitige Aspekt, der uns Kontakt halten lässt zu unseren Verwandten. Die Pflege der Beziehungen zu unseren Verwandten hat durchaus auch dieseitige Nutzen. So heißt es in einem Hadis: “Ihr solltet eure nahe Verwandtschaft kennen. Wissen, mit wem ihr Verwandtschaftsbande habt, um diese dann zu pflegen. Denn dies wird die Liebe und Zuneigung unter den Verwandten stärken, den Besitz mehren und das Leben verlängern.” [4] Die Verwandtschaftsbande bzw. die Pflege dieser hat also dies- wie jenseitige Nutzen. Die Beziehungen untereinader werden hierdruch vertieft, Liebe und Verbundenheit gestärkt, Feindseligkeiten und Hass aus dem Weg geräumt und Egoismus wie Individualismus entgegen gewirkt.

Verehrte Muslime,

auf Eines möchte ich an dieser Stelle noch besonders hinweisen. Manchmal sind wir etwas gekränkt oder fühlen uns vernachlässigt von unseren Verwandten. Statt uns diesen Gefühlen zu überlassen, sollten wir dann selbst den ersten Schritt machen und auf unsere Verwandten zugehen. Hierzu werden wir auch wieder von unserem Propheten (saw) aufgefordert. Die wahre Form der Verwandtschaftsbande hat er (saw) auch unbedingt hierdrin gesehen: “Die wahre Form des Kontakthaltens zu den Verwandten besteht nicht darin, ihr Besuche und ihre Aufmerksamkeit zu erwidern. Vielmehr besteht sie darin, gerade diejenigen aufzusuchen, die den Kontakt zu euch abgebrochen haben.” [5]

Abschließen möchte ich die heutige Predigt mit dem Eingangsvers: “O ihr Menschen! Habt Ehrfurcht vor eurem Herrn, der euch erschuf aus einem einzigen Wesen und aus diesem auch dessen Partner und schließlich aus diesen beiden zahlreiche Männer und Frauen. Und habt Ehrfurcht vor Allah, in dessen Namen ihr einander bittet und hütet euch davor, die Verwandtschaft zu vernachlässigen. Sehet, Allah beobachtet euch genau.“ [6]

[1] Muslim, Iman, 4.
[2] Ahmad b. Hanbal, V/229.
[3] Ibn Mādscha, Zuhd, 23.
[4] Buchārī, Adab, 12.
[5] Buchārī, Adab, 15.
[6] Nisā, 4/1.

Predigtkommission DITIB Köln
2013-06-14    


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