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2020-03-27 | Ansprache

Ansprache von Kazim Türkmen, DITIB-Bundesvorstandsvorsitzender

Bismillahirrahmanirrahim

Mit dem Namen Allahs, des Bamherzigen, des Gnädigen

Meine lieben Geschwister, liebe Gläubige, liebe Mitmenschen,

wir erleben dieser Tage eine Herausforderung globalen Ausmaßes, wie sie nur sehr selten vorkommt.

Die Corona-Pandemie verlangt von uns allen, jung wie alt, sehr viele Entbehrungen. Sie nimmt uns aber auch alle in Verantwortung. Wir alle sind verantwortlich dafür, dass die Menschheit diese Gefahr mit möglichst wenigen Opfern übersteht.

Die DITIB hat in dieser beschwerlichen Zeit viele sehr schwierige, zum Teil schmerzhafte Entscheidungen, treffen müssen. Eine landesweite Aussetzung des Freitagsgebetes oder der täglichen gemeinsamen Gottesdienste hat es in der Geschichte so noch nie gegeben.

DITIB hat jedoch zuallererst, noch vor der Schließung der Moscheen und Schulen, die Korankurse und alle gemeinschaftlichen Veranstaltungen abgesagt. Die verschiedenen Bildungsangebote – neben der schulischen Bildung - müssen erhalten bleiben. Lesen, sich bilden, ist das erste Gebot im Islam.

Daher haben wir unsere Bildungsangebote über digitale Medien und Online-Plattformen aufgebaut und entwickeln diese weiter. Ich appelliere an alle Eltern: sorgt dafür, dass die Kinder an den Programmen teilnehmen.

Für den 13. März haben wir als erste Religionsgemeinschaft die weitreichende Entscheidung getroffen, das bundesweite Freitagsgebet auszusetzen, später auch alle gemeinsamen Gottesdienste in unseren Moscheen. Dieses haben wir noch vor der Ankündigung von Bund und Ländern beschlossen.

Denn wir tragen die Verantwortung für das Leben eines jeden Individuums als Schöpfung Allahs, die es zu schützen gilt. So sagt Allah im Koran: „Wer einen Menschen tötet, so ist es, als ob er alle Menschen getötet hätte. Und wer einen Menschen am Leben erhält, ist es so, als ob er alle Menschen am Leben erhält.“

Die zeitnah danach erfolgten Verbote zeigen eindringlich, wie wichtig und richtig unsere Entscheidung war. Jede Institution, vom Staat über die Länder, Gemeinden aber auch Vereine und Unternehmen, wie auch Religionen tragen Verantwortung für jedes Leben.

Besonders große Verantwortung kommt dabei unseren mutigen Angestellten im Gesundheitswesen zu. Sei es nun in den jeweiligen Gesundheitsämtern, wo Entscheidungen getroffen und Empfehlungen für uns ausgesprochen werden, um die Pandemie zu verlangsamen; oder besonders aber in den Krankenhäusern. Wir danken unseren Ärztinnen und Ärzten, Krankenpflegerinnen- und pflegern, Helferinnen und Helfern und allen Mitarbeitern, die unter großer Gefahr für das eigene Wohl für jedes einzelne Leben kämpfen.

Unsere Pflicht ist es, diesen Kampf zu unterstützen, indem wir zu Hause bleiben. Denn unser Prophet hat uns vor Jahrhunderten bereits folgende Empfehlung gegeben: „Wenn irgendwo eine Epidemie ausbricht, so geht dort nicht hin. Wenn ihr an einem Ort seid, wo es eine Epidemie gibt, so verlasst diesen nicht!“

Und wenn wir doch raus müssen, sollten wir vorsichtig und umsichtig sein.

Es war noch nie so einfach, Leben zu retten! Bleibt zu Hause! Leistet den Leit-Linien von Behörden und der Regierung folge.

Wie unsere Bundeskanzlerin so treffend formuliert hat, ist ein jeder von uns in der Verantwortung. Aber einige mehr als andere. Denn manche sind stärker gefährdet als andere. Daher sind insbesondere junge Menschen in größerer Verantwortung, um die älteren Menschen nicht in Gefahr zu bringen. Und sie sind in der Verantwortung, denen Hilfestellung zu geben, die Hilfe benötigen.

Die DITIB-Jugend hat als eine der ersten Organisationen bundesweit ein Programm der Nachbarschaftshilfe gestartet. Dabei achten sie stringent auf alle Vorgaben der Hygiene und halten Abstand, um die Menschen nicht zu gefährden. Denn auch beim Helfen ist Vorsicht geboten. Für dieses wichtige Engagement möchte ich unsere Jugendlichen ausdrücklich loben.

Generell erleben wir in dieser Zeit der Entbehrungen auch positives. Vieles wird bereits geleistet. Noch mehr ist aber nötig, um in Zeiten, in denen wir soziale Kontakte reduzieren müssen, das soziale Leben dennoch zu stärken. Denn gerade die Älteren und Schwächeren leiden unter der sozialen Isolation am meisten. Hierfür müssen wir neue Wege und Lösungen finden. Es gibt viele telefonische Angebote, die gegen Einsamkeit und Verzweiflung und in schwierigen Situationen helfen.

Auch wir haben eine telefonische Sozialberatung auf Türkisch und Deutsch (Tel.: 0221-50800444, Mo.-Fr. 9-16h) und eine zweisprachige Seelsorge (Tel.: 0221-50800210, Mo.-Fr. 9-16h). Auch unsere Theologen sind telefonisch für euch da.

Ihr seid nicht allein.

Und nur gemeinsam können wir das schaffen. Dafür müssen wir zusammenrücken und zusammenwachsen, auch wenn wir Abstand halten.

Wir erleben in diesen Tagen viel Solidarität. Wir erleben, wie unsere Gesellschaft sich solidarisiert. In vielen Städten erklingen allabendlich Kirchenglocken und der Muezzinrufe gemeinsam. Diese geben den Menschen Mut und Zuversicht, Gemeinschaftsgeist und Hoffnung. Religion ist eine wichtige Stütze in jeder Krisenzeit und für jede Gesellschaft. Dort wo der Muezzinruf ertönt, ist Leben.

Das Leben geht weiter. Das ist die Botschaft eines Muezzinrufes. Diese Botschaft richtet sich nicht nur an Muslime, sondern an alle Menschen in dieser Zeit. Sie sagt, wir sind hier und für euch da. Allah, Gott ist für euch da. Ich danke allen Stadtverwaltungen, die unsere Anfragen, den Muezzinruf zusammen mit den Kirchen durchzuführen, schnell und unbürokratisch genehmigten. Das ist ein wichtiges Zeichen für das Zusammenwachsen unserer Gesellschaft in seiner ganzen Vielfalt.

Und ich bin zuversichtlich, dass wir -wenn diese Krise überstanden ist- gestärkt und vereint in all unserer Vielfalt auf eine hoffnungsvolle Zukunft blicken werden.

Möge Allah alle Verstorbenen in Seine Gnade und Barmherzigkeit aufnehmen und möge Allah den Kranken baldige Genesung schenken. An alle möchte ich zum Schluss nochmal den Appel richten: Bleibt zu Hause, und helft, Leben zu retten.

Möge der Friede und die Barmherzigkeit Allahs mit euch sein. Esselamu aleyküm ve Rahmetullahi ve Berekatuhu

 

Kazim Türkmen
Vorstandsvorsitzender
DITIB-Bundesverband

 

(Es gilt das gesprochene Wort)

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