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2016-01-29 | Pressemeldung

Ohne WENN und vor allem ohne ABER: Aufruf zur Deeskalierung

Als Erstunterzeichner der Kölner Erklärung nach den Sylvesterübergriffen, als größte muslimische Religionsgemeinschaft in Deutschland, als friedfertiger und versöhnlicher Teil der Gesellschaft und als Bürger dieses Landes möchten wir auf die höchst bedrohliche Eskalationsstufen in der anhaltenden Diskussion hinweisen. 

Die aktuellen Entwicklungen nach den Ausschreitungen zu Sylvester nehmen gefahrvolle Dimensionen an. Dass die Kriminalität und sexuellen Übergriffe uns in der bislang unbekannten Dimension erschreckt haben, dass diese weder mit religiösen oder kulturellen Zuschreibungen zu erklären und schon gar nicht zu rechtfertigen sind, dass diese absolut inakzeptabel sind, dass auch Migranten und Muslime Opfer dieser Kriminellen sind, haben wir in verschiedenster öffentlicher Form kommuniziert. Selbst als Teil der Freitagspredigt vom 15.01.2016 wurde dies thematisiert (http://www.ditib.de/detail_predigt1.php?id=276&lang=de).

Nach der aufgeheizten Stimmung jedoch, die sich täglich weiter steigert und ein unerträgliches Maß erreicht hat, nimmt das Erschrecken zu. Der aktuelle Übergriff auf eine Flüchtlingsunterkunft mit einer scharfen Handgranate in Baden-Württemberg markiert darin einen in der Gewaltbereitschaft alarmierenden Höhepunkt. Dies zeigt, dass die gesamtgesellschaftliche, politische und mediale Diskussion bisweilen in eine falsche Richtung geht und sich teils ungehemmt Bahn bricht, entlädt und dabei weitere Unschuldige trifft. Es ist dringend eine Versachlichung und Befriedung der Situation notwendig.

Insofern ist es dringend erforderlich, bezüglich der Sylvester-Ereignisse von Kriminellen zu sprechen und dies nicht auf einen zugeschriebenen Effekt der Religion und/oder Herkunft zurückzuführen. Zwingend notwendig sind neben der Aufklärung der Straftaten auch konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung der Kriminalität und sexuellen Übergriffe in Köln und anderen Städten.

Ausdrücklich mit Blick auf die täglich stattfindenden Angriffe gegen Flüchtlinge und Muslime, ihre Unterkünfte und Einrichtungen, ist dies unerlässlich. Wenn neben gefährlicher Brandstiftung und Schusswaffengebrauch nun auch scharfe Handgranaten eingesetzt werden, sind Grenzen überschritten, die mehr als beunruhigend oder bedrohlich sind.

Alle Menschen und Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben ein berechtigtes Sicherheitsbedürfnis. Übergriffe aus jeglicher Ecke oder Motivation sind ein Angriff auf eben dieses Schutzbedürfnis und die physische -aber auch psychische- Unversehrtheit eines jeden Einzelnen.

Die negativen gesellschaftlichen, politischen und medialen Debatten über Geflüchtete und Muslime nach den kriminellen Übergriffen führen nicht nur zur Pauschalisierung und Diskriminierung, sondern auch zu tätiger, menschenverachtender Gewalt. Wo kommt diese Gewalt her, woher diese Waffen, die unheilvollen, neuen Allianzen mit den Rechten und Rassisten?

Dies alles und noch mehr müssen wir uns fragen - auch all jene aus dem Chor der „ja-aber…“-Sager. Wir tragen alle Verantwortung füreinander, wir sind alle einander anvertraut! Wir müssen diesem Vertrauen und dieser Verantwortung gerecht werden, ohne WENN und vor allem ohne ABER.

 

DITIB-Bundesverband