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2015-03-06 | Pressemeldung

Zu den aktuellen Diskussionen um ein Islamgesetz

Die Neufassung des österreichischen Islamgesetzes, enthält Regelungen, die einen Eingriff in die religiöse Selbstbestimmung  der Muslime bedeuten. Verschiedene politische Akteure und Organisationen fordern auch  hierzulande ähnliche gesetzliche Regelungen.

Zuallererst sei betont, dass die Muslime in Deutschland seit den sechziger Jahren verschiedene Insti-tutionen für ihre religiösen Bedürfnisse gegründet haben und auch wenn dies noch nicht bundesweit geschehen ist, doch in mehreren Bundesländern diese mittlerweile den Status einer Religionsgemein-schaft erlangt haben. In vielen Bundesländern laufen hierzu ähnliche Gespräche in einem sehr positiven Rahmen weiter. Die islamischen Religionsgemeinschaften haben  ihre institutionelle Arbeit bislang stets am Grundgesetz sowie im Rahmen unserer Rechtsordnung auf Bundes- und Landesebene ausgerichtet.

Unser Grundgesetz garantiert den Religionsgemeinschaften nicht nur ihre Selbstverwaltung, sondern auch die Selbstbestimmung über ihre religiöse Lehre. Diese Verfassungsordnung ermahnt uns daran, es nie wieder in unserer deutschen Geschichte zuzulassen, dass der Staat in das religiöse Leben seiner Bürgerinnen und Bürger wertend oder sanktionierend eingreift.

Deshalb würde niemand fordern, es müsse mit einem Christengesetz in Personalfragen oder Details der christlichen Lehre staatlicherseits eingegriffen werden.

Ebenso würde niemand auf die Idee kommen, es müsse mit einem Judengesetz in die Substanz jüdischer Lehre eingegriffen werden oder bestimmt werden, wer in einer Synagogengemeinde als Rabbiner tätig sein darf.

Das gleiche muss auch für Muslime Geltung haben. Es ist deshalb beängstigend und zugleich entwür-digend, wenn Politiker aber auch Muslime eben solche staatlichen Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Bereiche der religiösen Selbstverwaltung fordern.

Aber auch inhaltlich offenbart die Forderung nach einem Islamgesetz eine völlige Unkenntnis oder Ignoranz gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen muslimischen Lebens in Deutschland.

Die Imame der DITIB, welche nahezu die Hälfte der Moscheegemeinden in Deutschland betreuen, als unzureichend und gefährlich anzusehen, ist gegenüber diesen Imamen, die bislang eine sehr gute Arbeit leisten und gegenüber den Muslimen, die diesen Imamen vertrauen,  ein Zeichen der Unkenntnis und Geringschätzung. 

Die Muslime und Moscheegemeinden in Deutschland werden mittlerweile zunehmend von Muslimen der zweiten und dritten Generation getragen. Von Frauen und Männern, die Mitten im deutschen Alltagsleben stehen. Sie sind Familienväter, Hausfrauen, Fabrikarbeiter, Ärztinnen, Gemüsehändler, Bankkauffrauen, Lehrer, Rechtsanwältinnen, Handwerker, Menschen aus allen Bereichen der Gesell-schaft.

Diese Menschen haben kein sprachliches oder kulturelles Defizit, das durch einen „Integrationsimam“ ausgeglichen werden müsste. Diese Menschen brauchen niemanden, der ihnen vorhält, sie seien nicht modern, liberal oder aufgeklärt genug. Sie haben den Wunsch nach einem Imam, der ihnen den Islam aus islamischen Quellen mit den Methoden der islamischen Theologie erklärt.
 
Die Befürworter eines Islamgesetzes, die meinen, die Muslime bräuchten endlich einen „deutschen Islam“, verkennen völlig, dass es bereits einen realexistierenden deutschen Islam gibt: er kommt nicht aus der Türkei, er kommt aus Frechen und Wuppertal. Wer die deutschsprachigen Prediger solcher Strömungen wie dem Neosalafismus sind und in welcher Sprache sie predigen, dürfte allen bekannt sein.
 
Die Landesreligionsgemeinschaften der Türkisch-Islamischen Union DITIB hingegen setzen sich in Deutschland, mit ihren muslimischen Gemeindemitgliedern und ihren islamischen Tugenden für das Gelingen des Zusammenlebens in einer freiheitlichen Gesellschaft ein. Der Islam in Deutschland ist bereits so organisiert, dass er Verhandlungs-, Vertrags- und Dialogpartner von Staat und Gesellschaft sein kann. Staat und Gesellschaft, die ihr Handeln nicht am populistischen Zeitgeist, sondern an unserem Grundgesetz ausrichten, sollten dies erkennen und das Gespräch mit diesen Partnern suchen und ausweiten.
 
Unsererseits  haben wir die sich wandelnden Bedürfnisse, resultierend aus den gesellschaftlichen Veränderungen in den Gemeinden, rechtzeitig erkannt und schon vor Jahren viele wichtige Schritte und Projekte wie den „Internationalen Studiengang für Theologie“ (2006) ins Leben gerufen, um die Zweisprachigkeit der Imame zu gewährleisten und auch auf lange Sicht den Bedarf an Imamen, die in Deutschland sozialisiert sind, zu decken. Weitere Informationen hierzu und zu ähnlichen Projekten werden wir zeitnah mit der Öffentlichkeit teilen.
 
Es sollte abschließend nicht verkannt werden, dass jede Diskussion um ein verfassungswidriges Sondergesetz, das in die Lehre und Glaubenspraxis von religiösen Minderheiten eingreift, dazu geeignet ist, das Ansehen Deutschlands im Ausland nachhaltig zu beschädigen. Deshalb wird die Türkisch-Islamische Union DITIB unermüdlich all jenen ein aufmerksamer Mahner sein, die drohen, den Boden des Grundgesetzes zu verlassen.


Türkisch-Islamische Union (DİTİB)